Leitsatz
Die Wohnungseigentümer können eine Untergemeinschaft mit eigener Beschlusskompetenz ausstatten. Überschreitet die Untergemeinschaft ihre Beschlusskompetenz, ist ein Beschluss nichtig.
Normenkette
WEG § 23 Abs. 1
Das Problem
In einer Mehrhausanlage – es gibt ein Haus A und ein Haus B – kann nach der Gemeinschaftsordnung jede "Hausgemeinschaft" in allen "diese Gemeinschaft betreffenden Fragen" Beschlüsse fassen. Ferner heißt es, es könne insbesondere über die Vornahme großer Instandsetzungsarbeiten beschlossen werden, auch das Verputzen des Hauses und das Dachdecken. Vor diesem Hintergrund beschließen die Wohnungseigentümer, deren Sondereigentum im Haus A liegt, die Tiefgaragenquerfuge instand setzen zu lassen. Ferner beschließen sie, das Gefälle der oberirdischen Parkplätze zu ändern. Der Verwalter wird beauftragt und ermächtigt, entsprechende Verträge namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer abzuschließen. Gegen diese Beschlüsse wendet sich Wohnungseigentümer K. Teilweise mit Erfolg.
Die Entscheidung
- Der Beschluss, die Tiefgaragenquerfuge instand setzen zu lassen, sei nichtig. Die "Untergemeinschaft„ des Hauses A habe für diesen Beschluss keine Beschlusskompetenz gehabt. Es seien von ihm nämlich auch Belange der „Gesamtgemeinschaft" betroffen, da die für die Instandsetzung der Tiefgaragenquerfuge zwingend erforderlichen Erdarbeiten auch "Flächen der Gesamtgemeinschaft" beträfen. Zwar könne gegebenenfalls etwas anderes gelten, wenn Interessen "der Gesamtgemeinschaft" nur in einem "völlig untergeordneten Maß" betroffen seien. Der Fall gehe jedoch über eine solch enge Ausnahme hinaus. Denn durch den Bodenaushub liege eine "Substanzverletzung" vor, über die man "nicht hinwegsehen" könne.
- Der Beschluss, das Gefälle zu ändern, sei hingegen nicht zu beanstanden. Die "Untergemeinschaft" des Hauses A habe für diesen Beschluss eine Beschlusskompetenz gehabt. Denn es seien ausschließlich ihre Belange betroffen gewesen. Der Vertrag solle zwar im Namen der "Gesamtgemeinschaft" geschlossen werden. Die Kosten hätten nach der Gemeinschaftsordnung aber nur die Wohnungseigentümer zu tragen, deren Sondereigentum im Haus A liege. Sähe man dies anders, liefe die Gemeinschaftsordnung, nach der jede Untergemeinschaft für die Vornahme großer Instandsetzungsmaßnahmen selbst verantwortlich sei, leer.
Kommentar
Anmerkung
- Eine "Untergemeinschaft" in einer Mehrhausanlage hat keine Kompetenz, Beschlüsse zu fassen – auch keine abgeleitete. Möglich ist allein, die "anderen Wohnungseigentümer" (die, deren Sondereigentum in einem anderen Haus liegt) durch eine Vereinbarung vom Stimmrecht für bestimmte "Haus-Gegenstände" auszuschließen. Welche Gegenstände dies sind, muss die entsprechende Vereinbarung bestimmen. Ist dort nicht klar abgegrenzt, was gilt, ist die Vereinbarung (teil-)nichtig. So mag es im Fall für den Beschluss zur Tiefgaragenquerfuge gewesen sein. Dann waren alle Wohnungseigentümer stimmberechtigt – der Beschluss war aber nicht nichtig: Der Beschluss verletzte dann nur das Stimmrecht der anderen Wohnungseigentümer und dürfte auch die erforderliche Mehrheit nicht erreicht haben.
- Was für den Beschluss zum Gefälle der oberirdischen Parkplätze gilt, ist wieder die Frage danach, ob der Gegenstand nach der Vereinbarung nur von wenigen Wohnungseigentümern zu beschließen war. Ist es so – was die Münchener Richter annehmen, und was hier in Unkenntnis des genauen Wortlauts der Vereinbarung unklar bleiben muss –, spielt alles andere dann keine Rolle mehr.
Was ist für den Verwalter wichtig?
Die Wohnungseigentümer können vereinbaren, dass sich die Wohnungseigentümer, deren Sondereigentum in einem Haus einer Mehrhausanlage liegt, zu den Gegenständen, zu denen sie allein ein Stimmrecht haben, allein versammeln. So war es im Fall nicht. Die Beschlüsse, zu denen die Wohnungseigentümer von Haus A (gegebenenfalls vermeintlich) ein alleiniges Stimmrecht hatten, wurden vielmehr am Ende der Gesamtversammlung "abgehandelt". Das war freilich in Ordnung. Ebenso war in Ordnung, dass einige der anderen Wohnungseigentümer dageblieben sind – denn sie hatten u.a. ein Anwesenheitsrecht, waren sie doch nur vom Stimmrecht (gegebenenfalls vermeintlich) ausgeschlossen.
Link zur Entscheidung
LG München I, Urteil vom 01.02.2017, 1 S 7364/16 WEG