Leitsatz
Zentrales Problem dieser Entscheidung war der Umstand, dass sich die Einkommensdifferenz zwischen den Parteien allein daraus ergab, dass aufseiten der unterhaltsberechtigten Ehefrau ein Erwerbstätigenbonus abzuziehen war.
Sachverhalt
Die Parteien waren im Februar 2004 rechtskräftig geschieden worden. Aus ihrer Ehe war ein im Jahre 1991 geborener Sohn hervorgegangen. Durch gerichtlichen Vergleich vom 27.5.2004 hatte sich der Kläger verpflichtet, an die Beklagte nachehelichen Unterhalt i.H.v. monatlich 167,00 EUR zu zahlen.
Der Kläger begehrte Abänderung des Vergleichs dahingehend, dass er der Beklagten keinen Unterhalt mehr schulde.
Der Kläger befand sich schon zurzeit des Abschlusses des Vergleichs im Ruhestand und bezog Ruhegehalt. Die Beklagte hatte bereits während der Ehe eine Teilzeitbeschäftigung ausgeübt, die sie seit Mai 2006 auf eine Vollzeittätigkeit aufgestockt hatte.
Das erstinstanzliche Gericht hat den Vergleich dahingehend abgeändert, dass der Kläger ab 1.7.2006 keinen Unterhalt mehr schulde. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, dass das Arbeitseinkommen der Beklagten das Pensionskommen des Klägers übersteige. In einer solchen Situation könne nicht rechnerisch ein Einkommensgefälle zu Ungunsten der Beklagten herbeigeführt werden, das der Kläger auszugleichen habe. Der dem berufstätigen Teil grundsätzlich gebührende Erwerbstätigenbonus könne nicht dazu verwandt werden, eine Differenz zwischen den Einkünften der Parteien überhaupt erst herzustellen.
Das gegen das erstinstanzliche Urteil von der Beklagten eingelegte Rechtsmittel war erfolgreich.
Entscheidung
Das OLG setzte von dem Einkommen der Beklagten den Erwerbstätigenbonus ab. Nach Ansicht des BGH widerspreche es dem Halbteilungsgrundsatz nicht, von einer strikt hälftigen Aufteilung der Einkünfte zugunsten des erwerbstätigen Ehegatten in maßvoller Weise abzuweichen, um den mit einer Berufsausübung verbundenen höheren Aufwand zu berücksichtigen und gleichzeitig einen Anreiz zur Erwerbstätigkeit zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Der BGH habe demgemäß die in der Rechtsprechung der OLG entwickelten Leitlinien gebilligt, bei deren Anwendung dem erwerbstätigen Ehegatten ein sog. Erwerbstätigenbonus aus dem verteilungsfähigen Einkommen vorab verbleibe, der Bedarf sich also nur aus den bereinigten und bei Erwerbstätigkeit vorab um den Bonus gekürzten Erwerbseinkünften berechne.
Dieser Vorwegabzug eines Erwerbstätigenbonus widerspreche nicht der Gleichwertigkeit der in der Ehe geleisteten Familienarbeit eines Ehegatten und der Erwerbstätigkeit des anderen, da nach der Surrogatlösung auch beim Bedürftigen nach Aufnahme einer Berufstätigkeit vorab ein Erwerbstätigenbonus abzuziehen sei.
Es gebe keinen vernünftigen Grund dafür, diese Grundsätze nur dann gelten zu lassen, wenn das Pensionseinkommen des Verpflichteten das Arbeitseinkommen des Berechtigten übersteige. Soweit ersichtlich, werde diese Frage in Rechtsprechung und Literatur nicht behandelt. Gegen eine solche Prämisse spreche auch der Sinn des Erwerbstätigenbonus. Nach seiner Doppelfunktion werde er für alle prägenden Erwerbseinkünfte des Pflichtigen und des Berechtigten als Ausgleich für den mit der Erwerbstätigkeit verbundenen besonderen Aufwand und als Arbeitsanreiz gewährt.
Hinweis
Die in der Entscheidung des OLG Schleswig genannte Doppelfunktion des Erwerbstätigenbonus ist allgemein bekannt. Dies gilt jedoch weniger für die Fragestellung, ob es Besonderheiten dann gibt, wenn das Pensionseinkommen des Schuldners das Arbeitseinkommen des Berechtigten übersteigt. Vor dem Hintergrund der Doppelfunktion ist nachvollziehbar, dass kein Erwerbstätigenbonus bei Sachverhalten bewilligt wird, bei denen die Partei volle Bezüge erhält, ohne tatsächlich eine Arbeitsleistung bringen zu müssen, wie z.B. bei Freistellung durch den Arbeitgeber.
Link zur Entscheidung
Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 14.07.2008, 15 UF 46/08