Leitsatz

Gegenstand des Verfahrens war der Unterhaltsanspruch einer im Jahre 1986 geborenen Studentin mit polnischer Staatsangehörigkeit gegen ihren in Deutschland lebenden Vater mit deutscher Staatsangehörigkeit

 

Sachverhalt

Die im Jahre 1986 geborene Beklagte ist die eheliche Tochter des Klägers aus dessen geschiedener Ehe mit der Mutter der Beklagten. Der Kläger lebt in Deutschland und ist deutscher Staatsangehöriger. Die Beklagte ist polnische Staatsangehörige, sie lebt in dem Haushalt ihrer Mutter in Polen, hat dort das Gymnasium im Juni 2005 mit dem Abitur abgeschlossen und besucht seit dem 1.9.2005 als Studentin eine berufliche Fachhochschule. Staatliche Unterstützung erhält sie nicht.

Der Kläger hatte sich in einer Jugendamtsurkunde vom 2.10.2002 verpflichtet, Kindesunterhalt i.H.v. 100,00 EUR monatlich zu zahlen. Er erhob Abänderungsklage mit dem Ziel, ab 1.7.2005 keinen Unterhalt an die Klägerin mehr leisten zu müssen. Erstinstanzlich wurde seinem Antrag entsprochen. Hiergegen legte die Beklagte Berufung und der Beklagte Anschlussberufung ein mit dem Ziel, seine Unterhaltsverpflichtung bereits ab 1.4.2004 auf 44,00 EUR und ab 1.1.2005 auf 0,00 EUR zu reduzieren.

Das Rechtsmittel der Beklagten hatte teilweise Erfolg. Seine Anschlussberufung hat der Kläger in der Berufungsverhandlung zurückgenommen.

 

Entscheidung

In seiner Entscheidung führte das OLG aus, gem. Art. 18 Abs. 1 EGBGB sei auf den Unterhaltsanspruch der in Polen lebenden Beklagten polnisches Unterhaltsrecht anzuwenden. Die Unterhaltsverpflichtung des Klägers dem Grunde nach sei in Art. 128 des polnischen Familien- und Vormundschaftsgesetzesbuchs (FuVG) verankert. Der Umfang der Unterhaltsleistungen hänge nach Art. 135 § 1 FuVG von den gerechtfertigten Bedürfnissen des Berechtigten und den Erwerbs- und Vermögensmöglichkeiten des Verpflichteten ab. Dabei sehe das polnische Recht weder für den Bedarf noch für den Selbstbehalt Richtsätze vor, vielmehr bedürfe es einer konkreten Abwägung der Rechte der Berechtigten und des Pflichtigen.

Der Bedarf der Beklagten bemesse sich nach deren Vortrag auf mindestens 785,00 PLN. Nach Abzug des von ihrer Mutter übernommenen Anteils i.H.v. 250,00 PLN verbleibe ein Unterhaltsbedarf von 535,00 PLN, somit umgerechnet mindestens 134,00 EUR monatlich. Staatliche Hilfsmittel würden ihr nicht gewährt.

Der Kläger habe seine fehlende Leistungsfähigkeit nicht dargelegt, auch auf eine gesundheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit könne er sich mit Erfolg nicht berufen.

Bereits aus der beruflichen Biographie des Klägers lasse sich ersehen, dass er trotz seines im Jahre 2000 erlittenen Herzinfarkts in der Vergangenheit stets als arbeitsfähig angesehen wurde, zumal die ihm aktuell gewährten Leistungen nach dem SGB II ausschließlich an arbeitsfähige Erwerbslose gezahlt werden.

Bestätigt worden sei diese Einschätzung durch das Prozessverhalten des Klägers und seine dortigen unpräzisen und widersprüchlichen Ausführungen. Für die Feststellung der Höhe seiner Leistungsfähigkeit komme es nicht auf sein tatsächlich erzieltes Einkommen, sondern auf dasjenige Einkommen an, das er bei einem objektiv zumutbaren Arbeitsaufwand entsprechend seinen beruflichen Qualifikationen erzielen könne (Bergmann/Ferid, Polen, S. 32b; Hohloch, Internationales Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht, S. 436).

Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Kläger keine in Deutschland anerkannte Berufsausbildung absolviert habe und nach seinem Herzinfarkt grundsätzlich in gewissem Umfang gesundheitlich eingeschränkt sei. Auch unter Berücksichtigung dieser Umstände sei bei einer zumutbaren Arbeitszeit von 176 Stunden im Monat von einem erzielbaren Bruttolohn von 1.408,00 EUR und einem bereinigten Nettoeinkommen von 942,17 EUR auszugehen.

Obgleich das polnische Recht selbst keine festen Selbstbehaltssätze kenne und vielmehr in jedem Einzelfall zu entscheiden sei, in welchem Umfang der Unterhaltsverpflichtete auch eventuell geringe Einkünfte mit dem Unterhaltsberechtigten zu teilen habe, sah es das OLG aus verfassungsrechtlichen Gründen für geboten an, dem Kläger von seinem Erwerbseinkommen seinen notwendigen Selbstbehalt i.H.v. 890,00 EUR als Existenzminimum zu belassen. Die Leistungsfähigkeit des Klägers bestehe somit i.H.v. 53,00 EUR (Einkommen gerundet 943,00 EUR abzüglich Selbstbehalt von 890,00 EUR). Unterhalt in dieser Höhe schulde der Kläger über den Zeitraum Juli 2005 hinaus.

 

Link zur Entscheidung

OLG Stuttgart, Urteil vom 14.02.2006, 17 UF 247/05

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