Leitsatz
Rechtskräftig geschiedene Eheleute stritten um den Trennungsunterhalt. Sie hatten am 31.5.2002 geheiratet. Am 23.10.2004 brachte die Ehefrau einen Sohn zur Welt. Schon vor der Geburt des Sohnes war sie aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen, nachdem sie dem Ehemann mitgeteilt hatte, sie liebe zwei Männer. Seit März 2004 lebte sie mit ihrem neuen Partner zusammen, führte ihm den Haushalt und betreute nach dessen Geburt ab Oktober 2004 das eheliche Kind. Der Ehemann selbst hatte während der Ehe unstreitig mehrfach gegen die eheliche Treuepflicht verstoßen, indem er eine homosexuelle Beziehung unterhielt und einen Swingerclub aufsuchte.
Es ging primär um die Frage der Unterhaltsverwirkung, der Höhe des Existenzminimums der unterhaltsberechtigten Ehefrau und der Anrechnung von Kindergeld, Erziehungsgeld und freiwilliger Unterhaltsleistungen des neuen Partners.
Ein Vaterschaftstest hatte ergeben, dass das Kind von dem geschiedenen Ehemann stammte.
Die Ehefrau hat zunächst Prozesskostenhilfe für eine Stufenklage beantragt, mit der sie Kindes- und Trennungsunterhalt geltend machen wollte. Über den zu leistenden Kindesunterhalt einigten sich die Parteien durch Teilvergleich, der Trennungsunterhalt blieb streitig.
Das erstinstanzliche Gericht hat den Ehemann antragsgemäß zur Zahlung von Trennungsunterhalt verurteilt. Hiergegen wandte er sich mit der Berufung, mit der er seinen Antrag auf Abweisung der Klage auf Trennungsunterhalt weiterverfolgte.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Anders als das erstinstanzliche Gericht hielt das OLG den Anspruch auf Trennungsunterhalt gem. § 1579 Ziff. 6 BGB wegen Ausbruchs aus intakter Ehe für verwirkt. Das Verhalten der Klägerin stelle ein einseitiges schwerwiegendes Fehlverhalten i.S.d. § 1579 Nr. 6 BGB dar. Der grobe Verstoß gegen eheliche Pflichten liege darin, dass die Verpflichtung zur geistigen, wirtschaftlichen und sexuellen Gemeinschaft aufgekündigt worden sei, ohne die Probleme zu benennen und bereit zu sein, zusammen mit dem Partner etwas zur Rettung der Ehe zu tun, also eine Eheberatung aufzusuchen oder eine Paartherapie zu machen.
Insbesondere im Hinblick auf den im Februar 2004 in Erfüllung gegangenen Kinderwunsch habe die Klägerin eine besondere Verantwortung zur Aufrechterhaltung der Gemeinschaft getroffen. Die ehelichen Verfehlungen des Ehemannes spielten nach Auffassung des OLG keine Rolle, da dieser zwar sexuelle Freizügigkeit gewollt und in Anspruch genommen, die eheliche Beziehung aber nie in Frage gestellt habe. Mit der Planung eines gemeinsamen Kindes habe die Ehefrau alle eventuellen Eskapaden verziehen. Obgleich ihre Verfehlung so schwerwiegend gewesen sei, dass sie einen gänzlichen Ausschluss des Unterhaltsanspruchs rechtfertigen würde, gebiete die gem. § 1579 BGB gebotene Rücksichtnahme auf die Belange des Sohnes, das Existenzminimum der Ehefrau zu wahren. Die Frage, ob die Haushaltsführung der Ehefrau für den neuen Partner im Hinblick auf die Surrogationsrechtsprechung des BGH (BGH v. 5.9.2001 - XII ZR 336/99 = FamRZ 2001, 1693) wie eine Erwerbstätigkeit zu behandeln sei mit der Folge, dass das Existenzminimum 890,00 EUR betrage, wurde vom OLG verneint. Da weder berufsbedingte Aufwendungen anfielen noch ein Bonus als Anreiz zur Fortsetzung der Tätigkeit zugebilligt werden müsse, sei von dem Existenzminimum für nicht Erwerbstätige in Höhe von 730,00 EUR auszugehen. Eine weitere Reduzierung wegen der Ersparnisse aufgrund des Zusammenlebens mit dem Partner komme dann allerdings nicht mehr in Betracht.
Für die Haushaltsführung für den neuen Ehepartner setzte das OLG im konkreten Fall ein fiktives Entgelt von 375,00 EUR an. Sowohl Mutterschaftsgeld als auch das Erziehungsgeld wurden voll auf den Bedarf angerechnet mit der Folge, dass das Existenzminimum damit fast vollständig abgedeckt war. Eine Anrechnung des Kindergeldes auf den Bedarf schloss das OLG hingegen aus, ebenso wie die Anrechnung weitergehender freiwilliger Zuwendungen des neuen Partners.
Hinweis
Das OLG Hamm hat zutreffend die Haushaltsführung für den neuen Partner bei der Frage des Existenzminimums nicht einer sonstigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt. Insoweit hat der BGH ausdrücklich entschieden, dass es sich bei der für die Versorgung des neuen Partners zuzurechnenden Vergütung nicht um Einkünfte aus Erwerbstätigkeit, sondern um eine besondere Art anderweitiger Deckung des Lebensbedarfs handele (BGH v. 9.12.1987 - IVb ZR 97/86 = FamRZ 1988, 259 ff.).
Das Erziehungsgeld ist bei Verwirkung eines Unterhaltsanspruchs aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nach § 9 BeerzGG bedarfsdeckend anzurechnen. Dies gilt allerdings nicht für das Kindergeld, da insoweit eine entsprechende gesetzliche Regelung fehlt.
Link zur Entscheidung
OLG Hamm, Urteil vom 30.06.2006, 11 UF 10/06