Leitsatz
Anwälte müssen ihre Mandanten vor Fehlurteilen des Gerichtes schützen, indem sie es auf höchstrichterliche Rechtsprechung zugunsten ihres Mandanten hinweisen. Dabei wird zu Lasten des Anwalts unterstellt, dass das Gericht bei entsprechendem Hinweis auch zugunsten des Mandanten entschieden hätte.
Sachverhalt
Ein Eigentümer eines Mehrfamilienhauses hatte vor dem Amtsgericht erfolgreich gegen seine Mieter Nebenkosten für Versicherung und Grundsteuer eingeklagt. Im Berufungsverfahren, das die unterlegenen Mieter führten, beauftragte der Vermieter nun einen Anwalt. Letzterer unterließ es – sich wohl darauf verlassend, dass angesichts der erstinstanzlichen Urteilsbegrünung die Berufung der Mieter abgewiesen werden würde – ein einschlägiges höchstrichterliches Urteil zugunsten des Vermieters im Berufungsverfahren vorzulegen. Die Mieter bekamen Recht und mussten die eingeklagten Nebenkosten nicht zahlen, weil das Berufungsgericht meinte, dass vorbehaltslose Zahlungen von Mietern, die auf einem Rechtsirrtum beruhen könnten, nicht zu einer Vertragsänderung führen. Für den Anwalt wurde es in 2-facher Hinsicht teuer:
- Seine Klage auf das Honorar wurde in zwei Instanzen abgewiesen, mit der Begründung, er habe seinen Mandanten unzureichend vertreten, weil er im Berufungsverfahren gegen die Mieter nicht auf die Entscheidung des BGH, Urteil v. 29.5.2000, XII ZR 35/00, über die stillschweigende Vereinbarung über zu tragenden Nebenkosten durch jahrelange Übung hingewiesen habe.
- Prompt klagte der unterlegene Eigentümer darauf gegen seinen Anwalt – erfolgreich – Schadensersatz ein bezüglich der entgangenen Nebenkosten und der gegnerischen Anwaltskosten und der angefallenen Gerichtsgebühren.
Folgende Grundsätze legte der BGH im Schadensersatzprozess fest:
- Der mit der Prozessführung beauftragte Rechtsanwalt ist gegenüber seinem Mandanten verpflichtet, dafür einzutreten, dass die zugunsten seines Mandanten sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend wie möglich ermittelt und bei der Entscheidung des Gerichtes berücksichtigt werden.
- Mit Rücksicht auf das auch bei Richtern nur unvollkommene menschliche Erkenntnisvermögen und die niemals auszuschließende Möglichkeit eines Irrtums ist es die Pflicht des Rechtsanwalts, nach Kräften dem Aufkommen von Irrtümern und Versehen des Gerichts entgegenzuwirken.
- Ein Anwalt muss mandatsbezogene veröffentlichte Urteile suchen, finden und verarbeiten.
- Der Anwalt muss auf Hinweise des Berufungsgerichts zu dessen (falscher) Rechtsauffassung reagieren und vortragen.
- Der Anwalt muss sich aufgrund des Anwaltsvertrags in die rechtlichen Grundlagen des Falles eindenken.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 18.12.2008, IX ZR 179/07.