Sachverhalt
Bei dem Vorabentscheidungsersuchen des polnischen Naczelny Sad Administracyjny ging es um die Frage, ob der Verkauf von Baugrundstücken, die vorher Teil einer landwirtschaftlich genutzten Fläche waren, die dann als Bauland ausgewiesen wurde, zur Unternehmereigenschaft nach Art. 9 Abs. 1 oder nach Art. 12 Abs. 1 MwStSystRL führt.
In der Rechtssache C-180/10 hatte der Kläger 1996 als natürliche Person, die keine Unternehmereigenschaft besaß, ein Grundstück erworben, das in dem damals geltenden Bebauungsplan als landwirtschaftliche Fläche ausgewiesen war. Der Kläger verwendete das Grundstück von 1996 bis 1998 für die Zwecke einer landwirtschaftlichen Tätigkeit, die er 1999 einstellte. Im Jahr 1997 wurde der Bebauungsplan geändert und das Grundstück nunmehr für eine Bebauung mit Ferienunterkünften ausgewiesen. Nach dieser Änderung teilte der Kläger das Grundstück in 64 Parzellen und begann im Jahr 2000, diese als Baugrundstücke an natürliche Personen zu verkaufen. Die polnische Finanzbehörde war der Auffassung, dass die Grundstücksverkäufe als unternehmerische Tätigkeit anzusehen seien, da der Kläger bereits als Landwirt ein Unternehmer sei und weil Umfang und Maßstab der Umsätze sowie die Aufteilung des Grundstücks in Parzellen auf die Absicht des Klägers hinwiesen, wiederholt Verkäufe vorzunehmen.
In der Sache C-181/10 war der Kläger seit 1996 pauschalierender Landwirt, der ein landwirtschaftliches Grundstück ohne Berechtigung zur Bebauung erworben hatte. Bis Ende 2006 nutzte er das Grundstück für seine landwirtschaftliche Tätigkeit (Pferdezucht und Anbau von Futter für Tiere). Nach entsprechender Mitteilung der Steuerbehörde im Jahr 2004 ließ der Kläger sich als Unternehmer registrieren, obwohl er seinen Betrieb als Privatvermögen betrachtete. Nach einer Änderung des Bebauungsplans, mit dem das landwirtschaftliche Grundstück nunmehr für eine Bebauung zu Wohn- und Dienstleistungszwecken ausgewiesen wurde, verkaufte der Kläger gelegentlich Teile des Grundstücks. Diese Verkäufe wurden von der Finanzbehörde als mehrwertsteuerpflichtig behandelt.
Das vorlegende Gericht wollte wissen, ob eine natürliche Person, die eine landwirtschaftliche Tätigkeit auf einem Grundstück ausgeübt hat, das mehrwertsteuerfrei erworben wurde und aufgrund einer Änderung der Bebauungspläne, die aus vom Willen dieser Person unabhängigen Gründen erfolgte, in ein für eine Bebauung vorgesehenes Grundstück umklassifiziert wurde, als Unternehmer anzusehen ist, wenn sie begonnen hat, das Grundstück zu verkaufen. Darüber hinaus wollte das Vorlagegericht wissen, ob unter derartigen Umständen ein "Pauschallandwirt" im Sinne von Art. 295 Abs. 1 Nr. 3 MwStSystRL unter das Regelversteuerungssystem fällt.
Entscheidung
Der EuGH hat entschieden, dass der Verkauf der Baugrundstücke auf jeden Fall eine unternehmerische Tätigkeit darstellt, wenn der betreffende Mitgliedstaat von Art. 12 Abs. 1 MwStSystRL Gebrauch gemacht hat. Nach dieser Vorschrift können die Mitgliedstaaten Personen als Steuerpflichtige (Unternehmer) betrachten, die gelegentlich eine der in Art. 9 Abs. 1 Unterabsatz 2 MwStSystRL genannten Tätigkeiten ausüben und insbesondere z.B. Lieferungen von Baugrundstücken bewirken. Ob Polen tatsächlich von dieser Regelung Gebrauch gemacht hat, muss das Vorlagegericht prüfen.
Soweit der Mitgliedstaat Art. 12 MwStSystRL nicht anwendet, ist nach dem Urteil die Unternehmereigenschaft bezüglich des Grundstücksverkaufs nach allgemeinen Grundsätzen zu prüfen. In diesem Zusammenhang verweist der EuGH auf sein Urteil v. 20.6.1996, C-155/94 (Wellcome Trust), wonach die bloße Ausübung des Eigentums durch seinen Inhaber als solche nicht als wirtschaftliche (unternehmerische) Tätigkeit angesehen werden kann.
Zahl und Umfang der im Ausgangsverfahren erfolgten Verkäufe sind nach dem EuGH-Urteil für sich genommen nicht maßgeblich. Auch der Umstand, dass vor der Veräußerung eine Parzellierung des Grundstücks vorgenommen wird, um einen besseren Gesamtpreis zu erzielen, ist nach dem EuGH-Urteil für sich allein nicht maßgeblich, ebenso wenig wie der Zeitraum, über den sich die Verkäufe erstrecken, oder die Höhe der dadurch erzielten Einnahmen. Alle diese Umstände zusammen könnten zur Verwaltung des Privatvermögens des Betreffenden im Sinne des EuGH-Urteils Wellcome Trust gehören.
Eine Unternehmereigenschaft kann nach dem EuGH-Urteil jedoch angenommen werden, wenn der Betreffende aktive Schritte zum Vertrieb von Grund und Boden unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL. Derartige aktive Schritte können insbesondere in einer Erschließung der Grundstücke oder in der Durchführung bewährter Vertriebsmaßnahmen bestehen. Da derartige Initiativen normalerweise nicht im Rahmen der Verwaltung von Privatvermögen erfolgten, könne die Lieferung eines für eine Bebauung vorgesehenen Grundstücks in einem solchen Fall nicht als bloße Ausübung des Eigentums durch seinen Inhabe...