Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 25 Abs. 1 und Abs. 2 WEG
Kommentar
1. In einer Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung war vereinbart:
Auf jedes einzelne Wohnungserbbaurecht entfällt eine Stimme (Kopfprinzip). Beschlüsse sind grundsätzlich mit 3/4-Mehrheit der in der Versammlung vorhandenen bzw. vertretenen Stimmen zu fassen.
Das gilt insbesondere
a) für die Bestellung des Verwalters,
b) für die Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan.
Nur bei der Entscheidung über Angelegenheiten, denen keine erhebliche Bedeutung zukommt, sowie in den Fällen, in denen dies in der Gemeinschafts- und Verwaltungsordnung bestimmt ist, ist die Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit zulässig.
2. Diese Teilungserklärungsvereinbarung ist teilweise rechtsbedenklich und damit unwirksam.
Zwar ist § 25 Abs. 1 WEG, der regelmäßig die einfache Stimmenmehrheit entscheiden lässt, abdingbar; aus diesem Grund können auch qualifizierte Mehrheitserfordernisse durch Teilungserklärung oder Vereinbarung festgelegt werden. Sie müssen aber inhaltlich genügend bestimmt sein, damit sie bei Abstimmungen auch eindeutig praktiziert werden können. Deshalb ist eine Bestimmung des Inhalts unwirksam, "dass Beschlüsse in der Versammlung grundsätzlich nur mit 3/4-Mehrheit zustande kommen und nur bei Angelegenheiten, denen keine erhebliche Bedeutung zukommt, die einfache Mehrheit genügt". Eine solche Differenzierung ist völlig unbestimmt und kann auch nicht aus dem Regelungszusammenhang erschlossen werden. Es fehlen hier jegliche Kriterien für die erhebliche oder unerhebliche Bedeutung eines Beschlussgegenstandes. Abgesehen davon können bei Beteiligten durchaus unterschiedliche Auffassungen über eine Erheblichkeit bestehen. Somit kann in einer Versammlung niemals sicher festgestellt werden, ob eine Verwaltungsmaßnahme beschlossen ist oder nicht. Gemeinschaft und Verwalter müssen alsbald Gewissheit über das Zustandekommen von Beschlüssen besitzen.
Hinsichtlich der Beschlussfassung über einen Wirtschaftsplan kann das einfache Stimmenmehrheitserfordernis ( § 28 Abs. 5 WEG) durch Vereinbarung abbedungen werden. Ob hier ein qualifiziertes Mehrheitserfordernis für einen Wirtschaftsplangenehmigungsbeschluss zweckmäßig ist, unterliegt nicht der Beurteilung der Wohnungseigentumsgerichte, weil auch diese an zulässige Vereinbarungen gebunden sind. Mögliche Schwierigkeiten bei der Beschaffung einer 3/4 Mehrheit für den jährlichen Wirtschaftsplanbeschluss können aber dadurch abgemildert werden, dass die jeweils festgelegten monatlichen Beitragsvorschüsse solange zu zahlen sind, bis sie durch einen neuen Wirtschaftsplanbeschluss geändert werden.
Die Vereinbarung über das qualifizierte Mehrheitserfordernis bei der Verwalterbestellung verstößt allerdings gegen den zwingenden§ 26 Abs. 1 S. 4 WEG und ist unzulässig (h.R.M., vgl. auch BayObLG, WE 96, 151).
Auch § 25 Abs. 2 S. 1 WEG(Stimmrechtskopfprinzip) ist abdingbar. Zwar taucht hier in dem Klammerzusatz der Vereinbarung der Begriff des "Kopfprinzips" auf. Dieser Begriff ist aber offenkundig falsch gewählt und entspricht nicht der ausdrücklichen und klaren Regelung im vorangehenden Text. Dort ist vielmehr im einzelnen bestimmt, dass auf jedes einzelne Wohnungserbbaurecht (Wohnungseigentum) eine Stimme entfällt; damit wurde hier zulässigerweise das sog. Objektstimmrecht anstelle von § 25 Abs. 2 S. 1 WEG eingeführt. Der ausdrückliche und eindeutige Wortlaut der Regelung hat zweifelsfrei Vorrang vor dem offenkundig falsch gewählten zusammenfassenden Begriff.
3. Keine außergerichtliche Kostenerstattung in III. Instanz bei Geschäftswert von DM 4.000,-.
Link zur Entscheidung
( KG Berlin, Beschluss vom 04.03.1998, 24 W 6949/97= DWE 4/98, 184)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Es ist schon erstaunlich(!), dass es überhaupt noch solche Vereinbarungen in einer Teilungserklärung immerhin von 1980 gibt, die über kurz oder lang erkennbar und ganz zwangsläufig zu streitigen Auseinandersetzungen führen mussten. Immerhin schon seit der Gesetzesreform von 1973 hätte sich die Nichtigkeit zumindest einer vereinbarten qualifizierten Mehrheit für eine Verwalterbestellung in Abweichung zur gesetzlich zwingenden Regelung des § 26 WEG erkennen lassen müssen.
Darüber hinaus Themen einfacher Mehrheitsbeschlüsse (so die Regelentscheidung der Eigentümer im Wohnungseigentumsrecht) so unbestimmt und nur ausnahmsweise wie hier zu vereinbaren, kann ebenfalls nur verwundern.
Auch die Genehmigung eines Wirtschaftsplanes gesetzesabweichend von einer qualifizierten Mehrheit von 3/4 der Stimmen in einer Versammlung abhängig zu machen, erschwert sicher unstreitig jede Verwalterarbeit und verletzt ebenfalls die Rechte aller Eigentümer. Auch insoweit könnte m.E. ein Gericht im Rahmen einer Inhaltskontrolle solcher Vereinbarungen nach § 242 BGB eine solche Vereinbarung aus den Angeln heben; es stellt aus meiner Sicht nur ein sehr schwaches Gegenargument dar, wenn hier der Senat feststellt, dass Schwierigkeiten dadurch "abzumildern" seien, dass Beitragsvorschüsse eben...