Leitsatz
Zentrales Problem dieser Entscheidung war die Frage der Unwirksamkeit des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs im Hinblick auf die Sittenwidrigkeit der zugrunde liegenden notariellen Vereinbarung zwischen den Eheleuten.
Sachverhalt
Die Beteiligten stritten um den Ausschluss des Versorgungsausgleichs im Hinblick auf die Wirksamkeit eines von ihnen geschlossenen notariellen Ehevertrages.
Die am 18.5.1971 geborene Antragstellerin und der am 12.2.1961 geborene Antragsgegner hatten am 11.4.2003 geheiratet. Aus ihrer Ehe waren zwei (vorehelich geborene) in den Jahren 1999 und 2001 geborene Kinder hervorgegangen. Die Antragstellerin war als Teilzeitkraft nach der Besoldungsgruppe A7 beschäftigt, der Antragsgegner arbeitete seit Dezember 1985 als Angestellter bei der L. GmbH und war Eigentümer eines lastenfreien Hauses.
Bereits einige Zeit vor der Eheschließung schlossen die Parteien am 6.9.2001 im Hinblick auf die beabsichtigte Eheschließung einen notariellen Ehevertrag. Darin vereinbarten sie eine modifizierte Zugewinngemeinschaft, wonach insbesondere auch das bereits im Eigentum des Ehemannes stehende Grundstück bei der Berechnung des Anfangs- und Endvermögens unberücksichtigt bleiben sollte. Im Übrigen schlossen sie den Versorgungsausgleich aus und verzichteten für den Fall der Scheidung wechselseitig auf jegliche Unterhaltsansprüche einschließlich des Notbedarfs. Ferner erfolgte ein wechselseitiger Verzicht auf Pflichtteilsansprüche bei Vorversterben des anderen Ehegatten.
Die Trennung der Parteien erfolgte durch Auszug der Antragstellerin zusammen mit den Kindern aus der ehelichen Wohnung am 6.5.2009.
Am 28.5.2009 leitete die Antragstellerin das Ehescheidungsverfahren ein und beantragte die Durchführung des Versorgungsausgleichs.
Am 1.2.2010 wurde die Scheidung der Ehe ausgesprochen und das Versorgungsausgleichsverfahren abgetrennt, über das am 7.4.2010 durch Beschluss entschieden wurde. In diesem Beschluss stellte das AG fest, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde unter Hinweis auf den notariellen Ehevertrag der Eheleute und die dort getroffene Vereinbarung.
Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt und die Auffassung vertreten, der Ehevertrag sei wegen Sittenwidrigkeit unwirksam.
Das Rechtsmittel war in der Sache erfolgreich.
Entscheidung
Das OLG hat im Beschwerdeverfahren nach Einholung neuer Auskünfte den Versorgungsausgleich durchgeführt.
Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts sei die Durchführung des Versorgungsausgleichs durch den von den beteiligten Eheleuten geschlossenen Ehevertrag nicht ausgeschlossen, da der Ehevertrag als insgesamt sittenwidrig und damit unwirksam einzustufen sei.
Der von den Beteiligten vereinbarte Ausschluss des Versorgungsausgleichs sei zwar grundsätzlich gemäß § 6 Abs. 1 VersAusglG zulässig. Gemäß § 8 Abs. 1 VersAusglG müsse die Vereinbarung über den Ausschluss jedoch einer Inhalts- und Ausübungskontrolle standhalten. Die Vereinbarung dürfe also weder nach allgemeinen Regeln unwirksam sein, noch dürften Treu und Glauben der Berufung auf sie entgegenstehen.
Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs stelle eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung dar und sei sittenwidrig, wenn die noch nicht verheiratete Frau bei Abschluss der Vereinbarung schwanger gewesen sei und durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder teilweise in erheblichen Teilen abbedungen worden seien, ohne dass diese Nachteile durch anderweitige Vorteile kompensiert würden.
Bei Abschluss der notariellen Vereinbarung hätten die späteren Eheleute schon längere Zeit zusammengelebt, die Antragstellerin habe bereits zwei gemeinsame Kinder geboren und sei selbst zu diesem Zeitpunkt nicht mehr erwerbstätig gewesen, sondern habe die Kinder betreut.
Der Vertrag sei letztendlich auf Veranlassung des Antragsgegners geschlossen worden, der Wert darauf gelegt habe, dass er die in seinem Eigentum befindliche Immobilie im Fall einer und Scheidung weiterhin wirtschaftlich alleine nutzen konnte und nicht durch finanzielle Belastungen zu einer Veräußerung gezwungen werden würde.
Er selbst sei zu diesem Zeitpunkt vollschichtig erwerbstätig gewesen, während die Antragstellerin sich nach der Geburt des zweiten Kindes überwiegend der Betreuung der Kinder gewidmet habe.
Die Situation zwischen den Beteiligten sei gleich zu bewerten wie diejenige einer schwangeren Frau, die kurz vor Eheschließung einen Vertrag abschließen solle, durch den zahlreiche Rechte aus dem Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts zu ihrem Nachteil vollständig ausgeschlossen werden sollten. Es könne insoweit keinen Unterschied machen, ob die betroffene Frau (noch) schwanger gewesen sei oder zum Zeitpunkt der Vereinbarung bereits ein gemeinsames Kind im Alter von knapp zwei Jahren und ein weiteres von fünf Monaten zu betreuen und zu versorgen gehabt habe, während der Vater voll...