Leitsatz
Eine brasilianische Staatsangehörige hatte einen gut verdienenden deutschen Arzt geheiratet. Aus der Ehe waren zwei in den Jahren 1993 und 1997 geborene Kinder hervorgegangen. Vor der Eheschließung hatten die Parteien einen notariellen Ehevertrag abgeschlossen, dessen Wirksamkeit in Frage stand.
Sachverhalt
Die Parteien - eine brasilianische Staatsangehörige und ein deutscher Staatsangehöriger - hatten im Jahre 1990 geheiratet. Der Ehemann war gut verdienender Arzt. Aus der Ehe waren zwei in den Jahren 1993 und 1997 geborene Kinder hervorgegangen. Auf Initiative des Ehemannes wurde das Scheidungsverfahren im Jahre 2003 betrieben. Im Rahmen dieses Verfahrens stritten sich die Parteien über die Durchführung des Versorgungsausgleichs.
Mit kurz vor der Eheschließung notariell beurkundetem Ehevertrag hatten die Parteien für die Geltung der Ehe deutsches Recht sowie Gütertrennung vereinbart. Außerdem schlossen sie u.a. jegliche Ausgleichsansprüche sowie den Versorgungsausgleich aus und verzichteten wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt mit Ausnahme des Unterhalts aus Anlass der Versorgung eines oder mehrerer gemeinsamer Kinder. Ferner wurde im Rahmen einer salvatorischen Klausel vereinbart, dass die Unwirksamkeit einer Regelung die Geltung der übrigen nicht beeinflussen sollte. Die Ehefrau war bei Abschluss des Vertrages 23 Jahre alt, verfügte über keinerlei Deutschkenntnisse, hatte keine Ausbildung absolviert und hätte ohne die Eheschließung weder eine Aufenthalts- noch eine Arbeitserlaubnis erhalten. Sie betreute während der Ehezeit die beiden gemeinschaftlichen Kinder und war als Hausfrau tätig. Das erstinstanzliche Gericht stellte fest, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Das OLG hat die hiergegen gerichtete Beschwerde der Ehefrau zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgte sie ihr Begehren, den Versorgungsausgleich durchzuführen, weiter.
Entscheidung
Der BGH hatte in seiner Entscheidung vom 11.2.2004 (BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601 ff.) dargelegt, dass die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen nicht dazu führen dürfe, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden könne. Die nicht bestandene Wirksamkeitskontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB könne die Wirksamkeit des Ehevertrages ganz oder teilweise erfassen. Anders als in dieser Entscheidung hat er nunmehr die Auffassung vertreten, dass die Nichtigkeit einer Scheidungsfolge sämtliche Bestimmungen des Ehevertrages unwirksam mache, also eine Teilnichtigkeit des Ehevertrages grundsätzlich ausscheide. Die Wirksamkeitskontrolle erfordere eine Gesamtwürdigung aller Umstände. Die Wirkungen der Nichtigkeit könnten nicht auf einzelne Teile des Ehevertrages beschränkt werden. Hierbei hat der BGH auch die Auffassung vertreten, dass der Versorgungsausgleich in gleicher Weise dem Kernbereich der Scheidungsfolgen zuzuordnen sei wie der nacheheliche Unterhalt, da ihm der Charakter eines vorweggenommenen Altersunterhalts gem. § 1571 BGB zukomme. Der in den §§ 1361 Abs. 1 S. 2, 1578 Abs. 3 BGB geregelte Vorsorgeunterhalt gleiche dies nicht aus, weil dieser lediglich für die Zeit ab Zustellung des Scheidungsantrages geltend gemacht werden könne, nicht aber den Versorgungserwerb während der Ehe betreffe.
Prüfungsmaßstab für den BGH war die ungerechtfertigte Lastenverteilung unter verständiger Würdigung des Wesens der Ehe. Ist die sich aus den Umständen des Einzelfalls ergebende Lastenverteilung evident nachteilig für einen Ehegatten, würde der beachtliche Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen beliebig unterlaufen. Dies müsse durch die Rechtsprechung geändert werden, wobei die Belastungen des einen Ehegatten um so schwerer wiegen und die Belange des anderen Ehegatten um so genauerer Prüfung bedürfen, je unmittelbarer die Vereinbarung der Ehegatten über die Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreife.
Hinweis
Mit seinem Beschluss vom 17.05.2006 hat der BGH klargestellt, dass für den Fall, dass der Ausschluss einer Scheidungsfolge einer Wirksamkeitskontrolle gem. § 138 BGB nicht standhält, grundsätzlich sämtliche Teile des Ehevertrages von der Nichtigkeit erfasst werden. Die noch in der Entscheidung vom 11.2.2004 enthaltene Unklarheit insoweit dürfte damit beseitigt sein.
Bei der ehevertraglichen Gestaltung der einzelnen Komponenten ist daher in der anwaltlichen Praxis darauf zu achten, dass die Gesamtregelung ausgewogen und nicht einseitig nachteilig belastend sein darf. Die individuelle Gestaltung des Vertrages muss dabei die Belange des einen Ehegatten und die Belastungen des anderen Ehegatten adäquat berücksichtigen. Beide vorgenannten Aspekte werden zukünftig verstärkt einer Kontrolle und Prüfung zu unterziehen sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn der den gesetzlichen Regelungen nicht entsprechende vertragliche Inhalt in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss vom ...