Leitsatz
Eine unzulässige Verlegung des tatsächlichen Sitzes einer GmbH kann zu einer Auflösung der Gesellschaft von Amts wegen durch das zuständige Registergericht führen.
Sachverhalt
Die Gesellschafterversammlung einer GmbH beschloss eine Sitzverlegung und eine entsprechende Satzungsänderung. Das Registergericht lehnte jedoch die Eintragung der Sitzverlegung in das Handelsregister ab, da weder die GmbH noch der Geschäftsführer unter der angegebenen neuen Adresse erreichbar war.
Das Registergericht des (noch eingetragenen) bisherigen Satzungssitzes der GmbH forderte die GmbH auf, die Satzung durch Anpassung an den tatsächlichen Sitz wirksam zu ändern und drohte an, die GmbH bei nicht fristgerechter Reaktion aufzulösen (= Beanstandungs- und Auflösungsverfahren nach § 144a Abs. 4 FGG). Die GmbH blieb jedoch untätig, d.h. sie hielt ihren Gesellschafterbeschluss, wonach der tatsächliche Sitz verlegt war, aufrecht, ohne diese Sitzverlegung ordnungsgemäß zur Eintragung anzumelden. Daraufhin stellte das Registergericht fest, dass ein Mangel des Gesellschaftsvertrags wegen Auseinanderfallens des Satzungssitzes und des tatsächlichen Sitzes vorliegt und die Gesellschaft mit dieser Feststellung aufgelöst ist.
Bislang war umstritten, ob das Auflösungsverfahren nach § 144a Abs. 4 FGG auf diesen Fall Anwendung findet. Das BayObLG hatte dies mit der Begründung abgelehnt, § 144a Abs. 4 FGG setze die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrags voraus. Der Gesellschaftsvertrag ist jedoch nur nichtig, wenn bereits bei Gründung der Gesellschaft der satzungsmäßige und der tatsächliche Sitz entgegen § 4 Abs. 2 GmbHG auseinander fallen. Nach § 4 Abs. 2 GmbHG hat der Gesellschaftsvertrag als Sitz der Gesellschaft i.d.R. den Ort, an dem die Gesellschaft einen Betrieb hat, oder den Ort, an dem die Geschäftsführung oder die Verwaltung geführt wird, zu bestimmen. Dieser Anforderung genügte die Satzung der GmbH im vorliegenden Fall im Zeitpunkt der Gründung. Der Gesellschaftsvertrag wird durch das nachträgliche Auseinanderfallen von satzungsmäßigem und tatsächlichem Sitz nicht (nachträglich) nichtig, weil ein Rechtsgeschäft nur nichtig ist, wenn es im Zeitpunkt seiner Vornahme gegen ein Verbotsgesetz verstößt.
Der BGH nimmt nun die analoge Anwendung des Auflösungsverfahrens auf Fälle wie den vorliegenden an, bei denen der satzungsmäßige und der tatsächliche Sitz erst nachträglich auseinander fallen. Es handelt sich um einen Satzungsmangel, der einer nichtigen Satzung vergleichbar ist und daher eine analoge Anwendung von § 144a Abs. 4 FGG (i.V. mit § 4 Abs. 2 GmbHG) rechtfertigt. Der Gesetzgeber habe mit der Vorschrift des § 4 Abs. 2 GmbHG das Ziel verfolgt, das Auseinanderfallen von satzungsmäßigem und tatsächlichem Sitz zu verhindern, um Gläubigern den Zugriff auf die GmbH und dem Registergericht die Zustellung der Registerverfügungen effektiv zu ermöglichen. Es besteht kein sachlicher Unterschied für die Interessen der Gläubiger und des Registergerichts, wenn der tatsächliche und der satzungsmäßige Sitz nicht bereits bei Gründung, sondern erst danach auseinander fallen.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss v. 2.6.2008, II ZB 1/06.