Leitsatz
Ein in einem selbstständigen Beweisverfahren eingeholtes schriftliches Sachverständigengutachten stellt kein zulässiges Beweismittel im Urkundenprozess dar, soweit dadurch der Beweis durch Sachverständige ersetzt werden soll.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
ZPO § 592
Kommentar
Der BGH hat die im Leitsatz beantwortete Frage für das Baurecht entschieden (Klage auf Vorschuss für die Beseitigung von Mängeln einer Eigentumswohnung). Das Urteil ist aber auch für die Miete von maßgeblicher Bedeutung:
Macht der Mieter wegen eines Mangels der Mietsache von seiner Minderungsbefugnis Gebrauch oder macht er ein Zurückbehaltungsrecht am Mietzins geltend, kann der Vermieter nach obergerichtlicher Rechtsprechung den geminderten oder zurückgehaltenen Betrag im Wege des Urkundenprozesses geltend machen (§ 592 ZPO; BGH, WuM 2005, 526 = NJW 2005, 2701). Voraussetzung ist allein, dass der Vermieter die zur Begründung seiner Ansprüche maßgeblichen Tatsachen durch Urkunden beweisen kann. Dies ist regelmäßig unproblematisch. Der Vermieter muss nämlich nur beweisen, dass ein Mietvertrag besteht, aus dem ihm eine bestimmte Miete zusteht. Dieser Beweis kann durch die Vorlage der Mietvertragsurkunde geführt werden. Der Mieter muss den Mangel beweisen (BGH, WuM 2005, 526 = NJW 2005, 2701; NZM 2007, 161 = WuM 2007, 82). Der Beweis durch Augenschein, Zeugen oder Sachverständige ist ausgeschlossen.
Privatschriftliche Urkunden, die auf einen Ersatzbeweis für ein Sachverständigengutachten hinauslaufen, scheiden im Urkundenprozess ebenfalls aus (BGHZ 1, 218, 220; OLG München, MDR 1998, 1180; OLG Düsseldorf, GuT 2006, 325, 326). Deshalb kann die Mangelhaftigkeit der Mietsache nicht durch Vorlage eines Privatgutachtens bewiesen werden. Dies führt zu der Frage, ob ein schriftliches Sachverständigengutachten verwertet werden kann, wenn es in einem selbstständigen Beweisverfahren erhoben wurde.
In Rechtsprechung und Literatur wurde diese Frage teils bejaht (OLG Rostock, NZM 2003, 317; Zöller/Greger, § 592 ZPO Rdn. 15), teils verneint (Musielak/Voit, § 592 ZPO Rdn. 12). Der BGH folgt der letztgenannten Meinung. Er ist der Ansicht, dass der vom Gesetzgeber gewollte Ausschluss des Sachverständigenbeweises durch die Zulassung schriftlicher Gutachten umgangen würde. Ebenso kann ein in einem selbstständigen Beweisverfahren erstelltes gerichtliches Protokoll über einen Augenschein oder eine Zeugenvernehmung nicht in einem Urkundenprozess verwertet werden.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 18.09.2007, XI ZR 211/06, NJW 2008, 523