Daniel A. Wuersch, Olaf Gerber
Rz. 122
Die Mitglieder des board of directors und die officers haben bei der Erfüllung ihrer Aufgaben Sorgfaltspflichten (duty of care) und Treuepflichten (duty of loyalty) gegenüber der Gesellschaft und deren Gesellschaftern zu beachten.
a) Sorgfaltspflicht
Rz. 123
Die directors haben ihre Geschäftsführungsentscheidungen nach Treu und Glauben, mit der Sorgfalt einer vernünftigen Person in der entsprechenden Lage sowie im alleinigen Interesse der Gesellschaft zu treffen (§ 309 NYBCL, § 309(a) CalCC, § 717(a) NYBCL). Der Maßstab für die gerichtliche Überprüfung von Geschäftsführungsentscheidungen ergibt sich aus der sog. business judgment rule. Nach ständiger Rechtsprechung begründet eine unternehmerische Entscheidung des board of directors keine Pflichtverletzung, wenn diese Entscheidung auf der Grundlage ausreichender Informationen, in gutem Glauben (good faith) und in dem begründeten, nicht auf Willkür basierenden Glauben gefasst wurde, dass diese Entscheidung im Interesse der Gesellschaft ist. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, wird die Entscheidung bzw. Geschäftsführungsmaßnahme von einem Gericht nicht weiterhin auf ihren Inhalt überprüft. Dies gilt auch dann, wenn sich die Entscheidung später als für die Gesellschaft nachteilig erweist. Eine materielle Überprüfung findet dagegen dann statt, wenn das board of directors überhaupt keine Entscheidung getroffen hat, die Entscheidung nicht auf der Grundlage ausreichender Informationen getroffen wurde, die Entscheidung willkürlich war oder ein unbereinigter Interessenkonflikt bestand. In diesen Fällen liegt regelmäßig auch ein Pflichtenverstoß vor. Insbesondere bei gesetzwidrigem oder betrügerischem Verhalten oder einer Verletzung der Treuepflicht findet die business judgment rule keine Anwendung.
Rz. 124
Bei ihren Entscheidungen dürfen sich die directors auf die mündlichen oder schriftlichen Informationen der officers und anderer Angestellten verlassen, sofern die directors hinsichtlich der ihnen überlassenen Informationen im guten Glauben (good faith) sind (§ 141(e) DGCL, § 309(b) CalCC, § 717(a) NYBCL). Schließlich kann in den articles of incorporation die Haftung der directors gegenüber der Gesellschaft für grob fahrlässiges Verhalten mit Einschränkungen ausgeschlossen werden (§ 102(b)(7) DGCL, §§ 309(c), 204(a)(10) CalCC, § 402(b) NYBCL).
b) Treuepflicht
Rz. 125
Die directors müssen ihre Entscheidungen im guten Glauben (good faith) und in aus ihrer Sicht vernünftiger Weise im besten Interesse der Gesellschaft treffen. Die Treuepflicht (duty of loyalty) verbietet es den directors, aus ihrer Stellung eigene Vorteile auf Kosten der Gesellschaft zu ziehen. So stellen Angelegenheiten, an denen ein Mitglied des board of directors ein eigenes finanzielles Interesse hat, einen Interessenkonflikt dar. Beschlüsse, an denen ein Mitglied mit Interessenkonflikt mitgewirkt hat, sind anfechtbar (voidable). Dies gilt nur dann nicht, wenn der Interessenkonflikt im vollen Umfang offen gelegt wurde und die Entscheidung von der Mehrheit der nicht befangenen Mitglieder des board of directors angenommen wurde oder die Gesellschafter später die Entscheidung bestätigen oder die Entscheidung aus der Sicht der Gesellschaft angemessen und ausgewogen war (§ 144 DGCL, § 310 CalCC, § 713 NYBCL).
Rz. 126
Ferner dürfen die directors Vermögenswerte der Gesellschaft nicht zum eigenen Vorteil nutzen. Schließlich dürfen die Mitglieder des board of directors Geschäftschancen, die sich ihrer Gesellschaft bieten, nicht zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzen (corporate opportunity doctrine). Der über eine Geschäftschance informierte director ist zunächst verpflichtet, das board of directors über diese Geschäftschance zu informieren. Das board of directors, unter Ausschluss des interessierten directors, hat dann darüber zu entscheiden, ob diese Geschäftschance von der Gesellschaft verfolgt werden soll. Besteht kein Interesse der Gesellschaft an der Geschäftschance, kann der interessierte director diese für sich weiterverfolgen. Bei Verstößen müssen die Gewinne an die Gesellschaft herausgegeben werden. Die Haftung für Verstöße gegen die duty of loyalty kann nicht abbedungen werden (§§ 102(b)(7), 174 DGCL, § 204(a)(10)(A) CalCC).
c) Haftung gegenüber der Gesellschaft und Haftungsfreistellungen
Rz. 127
Verletzen die directors ihre Sorgfalts- oder Treuepflichten, so sind sie primär gegenüber der corporation schadensersatzpflichtig, soweit dieser aus der Pflichtverletzung ein Schaden entstanden ist. Klagebefugt ist in solchen Fällen grundsätzlich die Gesellschaft selbst, die im Prozess von den directors oder dem zuständigen officer vertreten wird. Macht die Gesellschaft den Anspruch nicht geltend, kann er auch von einem Gesellschafter für die Gesellschaft geltend gemacht werden (derivative suit).
Rz. 128
Um das Haftungsrisiko für die directors zu begrenzen, können in die articles of incorporation bzw. in den bylaws Freistellungserklärungen (indemnification clauses) für den Fall der persönlichen Inanspruchnahme der directors aufgenommen werden. Diese Möglichkeit der Haftungsfreistellung ist jedoch auf solche Fä...