Detlef Burhoff, Annika Hirsch
Rdn 5275
Literaturhinweise:
Dierbach, Die Vertretung des Angeklagten durch den Verteidiger, StraFo 2019, 50
s.a. die Hinw. bei → Verteidiger, Allgemeines, Teil V Rdn 5050, und bei → Verteidiger, Vollmacht des Verteidigers, Teil V Rdn 5280.
Rdn 5276
1. Allein die allgemein erteilte Vollmacht berechtigt den Verteidiger als Beistand nicht, den Beschuldigten auch zu vertreten (u.a. OLG Bamberg NJW 2007, 1477 [Ls.]; VRR 2011, 472; KG StRR 2014, 38; OLG Celle DAR 2010, 708; OLG Dresden StRR 2013, 26 m. Anm. Reichling; OLG Hamm StraFo 2006, 425; Meyer-Lohkamp/Venn StraFo 2009, 265, 268; Dierbach StraFo 2019, 50; → Vollmacht des Verteidigers, Teil V Rdn 5279). Das ist insbesondere von Bedeutung für die HV, wenn der Beschuldigte nicht erscheint. Denn nur, wenn der Verteidiger eine besondere (schriftliche) Vertretungsvollmacht für den Beschuldigten/Angeklagten hat, kann er in den Fällen des § 411 Abs. 2 nach Einspruch im → Strafbefehlsverfahren, Teil S Rdn 4382 oder nach Entbindung des Beschuldigten vom Erscheinen in der HV gem. §§ 233, 234 den Mandanten vertreten. Entsprechendes gilt für die HV im Berufungsverfahren, wenn es u.a. darum geht, die Verwerfung der Berufung des Mandanten wegen unentschuldigten Ausbleibens zu verhindern (dazu Burhoff, HV, Rn 813 ff.) oder Erklärungen zur Berufung abzugeben. Mit dieser ist er befugt, sämtliche zum Verfahren gehörenden Erklärungen abzugeben (KG, Beschl. v. 1.7.2020 – (4) 121 Ss 71/20 (74/20), StV 2021, 161 [Ls.] für Rechtsmittelbeschränkung). Auch im Bußgeldverfahren kann der Verteidiger in der HV Erklärungen für den Betroffenen nur abgeben bzw., wenn der Betroffene dort nicht erscheint, noch den Antrag stellen, ihn gem. § 73 Abs. 2 OWiG von der Erscheinenspflicht zu entbinden, wenn er eine (besondere) Vertretungsvollmacht hat (Einzelh. Meyer-Goßner/Schmitt, § 234 Rn 2 f.; Dierbach StraFo 2019, 50, 52 ff.; → Bußgeldverfahren, Besonderheiten, HV, Anwesenheit des Betroffenen, Teil B Rdn 1592; Burhoff, HV, Rn 1529 ff.; zur Entbindung vom Erscheinen in der OWi-HV Burhoff/Niehaus, OWi, Rn 2556 ff.). Im EV kann die Frage der Vertretung bei einer Durchsuchung und anschließender Durchsicht von Papieren von Bedeutung werden (→ Durchsuchung, Durchsicht von Papieren, Teil D Rdn 1943).
Rdn 5277
Der Verteidiger muss sich, um für alle Fälle gewappnet zu sein, daher auf jeden Fall eine besondere Vertretungsvollmacht erteilen lassen. Das gilt i.Ü. auch für den Pflichtverteidiger, da allein die Beiordnung keine besondere Vertretungsvollmacht gibt (BayObLG, Beschl. v. 9.10.2020 – 202 StRR 94/20 [Wahlanwaltsvollmacht erlischt mit Bestellung]; OLG Celle NStZ 2013, 615; OLG Düsseldorf StV 2013, 299; OLG Hamm StV 1997, 404 [für den Fall des § 411 Abs. 2]; StRR 2012, 463 [für § 329]; zfs 2014, 470; OLG München VRR 2010, 393 [die als Wahlanwalt erteilte Vertretungsvollmacht erlischt mit der Pflichtverteidigerbestellung]; s.a. Schnarr NStZ 1996, 214 f. m.w.N.). In der Vergangenheit sind die Gerichte davon ausgegangen, dass die i.d.R. geforderte schriftliche Vollmacht, der Verteidiger aufgrund mündlicher Ermächtigung durch den Beschuldigten/Angeklagten selbst unterzeichnen kann (u.a. für das Bußgeldverfahren – KG StRR 2014, 38; BayObLG NStZ 2002, 277; OLG Dresden StRR 2013, 26; VRR 2/2017, 20 [Ls.]). Daran wird nach der Neuregelung in § 329 für das strafrechtliche Berufungsverfahren nicht festgehalten (Burhoff, HV, Rn 863 ff.; KG StraFo 2018, 71; OLG Hamburg StraFo 2017, 371 m. Anm. Burhoff StRR 9/2017, 13; noch Dierbach StraFo 2019, 50, 54). Mit einer Vertretervollmacht ist der Verteidiger befugt, sämtliche zum Verfahren gehörenden Erklärungen abzugeben (KG, Beschl. v. 1.7.2020 – (4) 121 Ss 71/20 (74/20), StV 2021, 161 [Ls.] für Rechtsmittelbeschränkung).
☆ I.d.R. ist die (Vertretungs)Vollmacht schon in den üblichen Vollmachtsformularen enthalten. Bei der Formulierung einer Vollmacht ist aber darauf zu achten, dass diese nicht nur für das Strafverfahren ausgestellt ist, sondern auch das Bußgeldverfahren erfasst, und zwar auch durch Anführung der entsprechenden Vorschriften (OLG Bamberg NJW 2007, 1477 [Ls.]; OLG Bamberg VRR 2011, 472; OLG Hamm StraFo 2006, 425; OLG Oldenburg, Beschl. v. 20.12.2016 – 1 Ss 178/16). Die OLG (OLG Bamberg und OLG Hamm, jew. a.a.O.) gehen zwar davon aus, dass auch eine Vollmachtserklärung, die nicht ausdrücklich auf eine Vertretung auch in Bußgeldsachen hinweist, sondern nur das Strafverfahren erwähnt, ausreicht – jedenfalls dann, wenn sie vom Betroffenen nach Bekanntgabe, dass gegen ihn ein OWiG-Verfahren eingeleitet wurde, erteilt wurde. Zur Sicherheit sollte jedoch das Bußgeldverfahren ausdrücklich aufgenommen werden (Einzelh. → Verteidiger, Vollmacht des Verteidigers , Teil V Rdn 5279 ).Formulierung einer Vollmacht ist aber darauf zu achten, dass diese nicht nur für das Strafverfahren ausgestellt ist, sondern auch das Bußgeldverfahren erfasst, und zwar auch durch Anführung der entsprechenden Vorschriften (OLG Bamberg NJW 2007, 1477 [Ls.]; OLG Bamberg VRR 2011, 472; OLG Ham...