Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Vollstreckung von Entscheidungen ausländischer Verwaltungsbehörden und Gerichte wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten ist in Deutschland nach der früheren Rechtslage so gut wie nicht erfolgt. Bilaterale Vollstreckungshilfevereinbarungen, wie etwa der deutsch-schweizerische Polizeivertrag, laufen in der Praxis weitgehend leer.
2. Mit Wirkung ab dem 27.10.2010 können Geldsanktionen aus EU-Mitgliedstaaten wegen einer Straftat oder einer OWi (insbesondere Straßenverkehrsverstöße) unter den Voraussetzungen der §§ 86 ff. IRG (Umsetzung des EU-Rahmenbeschlusses v. 24.2.2005 – RBGeld) in Deutschland vollstreckt werden.
3. Die §§ 8787n IRG betreffen ausschließlich die Vollstreckungshilfe bei der Eintreibung von Geldsanktionen für einen anderen EU-Mitgliedstaat. Für die Vollstreckungshilfe muss eine vollstreckbare Entscheidung vorliegen.
4. Die Vollstreckung der ausländischen ist nur zulässig, wenn der Bewilligungsbehörde die gem. § 87a IRG erforderlichen Unterlagen übermittelt worden sind.
5. Neben dem Erfordernis des Vorliegens der Vollstreckungsunterlagen normiert § 87b IRG weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen. Dazu gehört u.a. die sog. Beiderseitige Sanktionierbarkeit.
6. In § 87b Abs. 2 und 3 IRG sind (weitere) Zulässigkeitshindernisse normiert Die Vollstreckung einer Geldsanktion ist u.a. nicht zulässig, wenn die Geldsanktion den Betrag von 70,00 EUR nicht erreicht.
7. Von besonderer Bedeutung ist der Versagungsgrund des § 87b Abs. 3 Nr. 9 IRG, die sog. Halterhaftung.
8. Ist das Vollstreckungshilfeersuchen zulässig, ist die Vollstreckung grds. Zu bewilligen, es sei denn, es liegt ein Bewilligungshindernis gem. § 87d IRG vor.
9. Das Verfahren der Vollstreckung gliedert sich in verschiedene Phasen, nämlich eine Prüfungsphase, eine Anhörungsphase, eine Bewilligungsphase, eine Rechtsmittelphase und eine Vollstreckungsphase.
10. Das Verfahren beginnt mit der Prüfungsphase.
11. An die Prüfungsphase schließt sich die Anhörungsphase an.
12. Der Anhörungsphase folgt die Bewilligungsphase.
13. Der Bewilligungsphase folgt ggf. die Rechtsmittelphase.
14. Den Abschluss bildet nach Bewilligungsphase bzw. ggf. Rechtsmittelphase die Vollstreckungsphase.
15. Der Betroffene kann sich eines anwaltlichen Beistandes bedienen, und zwar bereits während des Bewilligungsverfahrens.
16. Die anwaltlichen Gebühren sind in Teil 6 Abschnitt 1 VV RVG geregelt.
17. Die Umsetzung des RBGeld in deutsches Recht hat keine Auswirkungen auf die Fahrerlaubnis.
 

Rdn 4073

 

Literaturhinweise:

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