Leitsatz

Das im Jahre 2004 eingeführte Anfechtungsrecht des biologischen Vaters erfordert u.a. die negative Feststellung, dass keine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind besteht. Das OLG Karlsruhe hatte sich damit auseinanderzusetzen, welcher Zeitpunkt für das Nichtbestehen der sozial-familiären Beziehung maßgeblich ist.

 

Sachverhalt

Der Kläger begehrte die Feststellung seiner Vaterschaft für das Kind J. unter gleichzeitiger Anfechtung der vom Beklagten zu 2. anerkannten Vaterschaft.

Der Kläger und die Kindesmutter unterhielten im Sommer 2003 eine intime Beziehung. Das Kind J. wurde am 5.5.2004 nichtehelich geboren und von dem Kläger, den die Mutter als Vater angegeben hatte, anerkannt, ohne dass die Mutter der Anerkennung zugestimmt hatte, was der Kläger erst später im Rahmen eines Sorgerechtsverfahrens über das Jugendamt erfuhr.

Seit der Geburt des Kindes J. herrschte regelmäßiger Umgang zwischen dem Kläger und dem Kind mit entsprechenden Unterhaltszahlungen an das Kind und an die Mutter.

Im Sorgerechtsverfahren erklärte die Mutter, dass sie nicht sicher sei, ob der Kläger der Vater des Kindes sei. Gleichzeitig hat sie in diesem Verfahren am 6.9.2006 ihr Einverständnis zur Einholung eines Abstammungsgutachtens erteilt, das vom AG sodann angeordnet wurde. Am 7.9.2006 hat ein anderer Mann, den sie am 1.12.2007 geheiratet hatte, die Vaterschaft des Kindes anerkannt. Der Aufforderung zur Blutentnahme sind die Mutter und das Kind trotz entsprechender Aufforderung nicht nachgekommen und auch zu weiteren Verhandlungsterminen des Gerichts nicht erschienen.

Zwischenzeitlich ergab ein privates DNA-Gutachten die Wahrscheinlichkeit des Klägers als Vater. Die Aufforderung des Gerichts an das Jugendamt, festzustellen, ob eine sozial familiäre Beziehung bestehen würde, wurde zunächst erfolglos unternommen, weil die Mutter jeweils die Hausbesuche torpedierte.

In einem Hausbesuch vom 12.12.2007 hat das Jugendamt sodann festgestellt, dass zwischen dem Kind und seinem "rechtlichen" Vater eine sozial-familiäre Beziehung bestehe.

Mit Urteil vom 4.4.2008 hat das AG die Klage abgewiesen, weil zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und dem Beklagten bestanden habe.

Der Kläger legte das erstinstanzliche Urteil Berufung ein. Sein Rechtsmittel war erfolgreich.

 

Entscheidung

Das OLG hat der Anfechtungsklage und der Feststellung der Vaterschaft des Klägers stattgegeben, obgleich zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem OLG eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater bestand.

Das OLG vertrat die Auffassung, durch die bewusste Ausnutzung der Verfahrensdauer durch die Mutter habe eine zunächst nicht gegebene Beziehung zwischen dem Kind und dem anerkennenden Mann erst begründet und verfestigt werden können. Die Schutzwürdigkeit der Familie sei hierdurch nicht beeinträchtigt. Die Mutter und der rechtliche Vater hätten von Anfang an gewusst, dass der Kläger seine Vaterschaft beanspruche und erst in Kenntnis der Streitigkeit zwischen der Kindesmutter und dem Kläger eine Beziehung aufgebaut. Sie hätten darauf vertraut, dass diese künftig nicht beeinträchtigt werden könne. Dasselbe gelte für den Schutz des Kindes, wobei eventuelle Probleme aufgrund der vom Vater gewünschten Beziehung zum Kind im Rahmen eines Umgangsverfahrens zu klären seien.

 

Link zur Entscheidung

OLG Karlsruhe, Urteil vom 21.01.2010, 2 UF 69/08

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