Leitsatz
Ein minderjähriges Kindes, vertreten durch einen Ergänzungspfleger, begehrte Prozesskostenhilfe für die von ihm beabsichtigte Vaterschaftsanfechtungsklage. Sein Schriftsatz vom 28.2.2005 ging am 01.03.2005 beim FamG ein. Mit Beschluss vom 4.4.2005 hat das FamG den Prozesskostenhilfeantrag des Antragstellers zurückgewiesen und dies damit begründet, die Anfechtungsfrist von zwei Jahren sei nur mit rechtzeitiger Erhebung der Klage zu wahren. Eine solche sei jedoch bisher nicht erhoben, da mit dem Prozesskostenhilfeantrag lediglich ein Klageentwurf eingereicht worden sei.
Der Antragsteller hat gegen den ablehnenden PKH-Beschluss Beschwerde eingelegt. Sein Rechtsmittel war erfolgreich.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG hielt die Beschwerde für zulässig und begründet.
Der Antragsteller war während der Ehe seiner Mutter mit dem Antragsgegner geboren, so dass der Antragsgegner nach § 1592 Nr. 1 BGB sein gesetzlicher Vater sei. Gem. § 1600 Abs. 1 BGB sei der Antragsteller berechtigt, die Vaterschaft anzufechten. Die Frist zur Anfechtung der Vaterschaft betrage nach § 1600b Abs. 1 S. 1 BGB zwei Jahre und beginne gem. § 1600b Abs. 1 S. 2 mit dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von den Umständen erfahre, die gegen die Vaterschaft sprechen. Im Hinblick auf die Minderjährigkeit des Antragstellers komme es auf die Kenntnis desjenigen gesetzlichen Vertreters an, der befugt sei, das Kind im Vaterschaftsanfechtungsprozess rechtswirksam zu vertreten. Die Frist beginne daher erst zu dem Zeitpunkt, in dem die Vertretungsbefugnis hergestellt sei (OLG Köln, FamRZ 2001, 245; Palandt-Diederichsen, BGB, 64. Aufl., § 1600 b, Rn. 6).
Im vorliegenden Fall erfolgte die Herstellung der Vertretungsbefugnis mit der Bestellung des Ergänzungspflegers für die Anfechtungsklage am 10.3.2003. Die Zwei-Jahres-Frist zur Erhebung der Anfechtungsklage wäre mithin am 10.3.2005 abgelaufen, sofern sie nicht durch den am 1.3.2005 eingereichten Prozesskostenhilfeantrag gehemmt worden wäre.
Das OLG hielt die Anfechtungsfrist durch die Einreichung des Prozesskostenhilfeantrages für gewahrt und begründete die von ihm vertretene Auffassung wie folgt:
Die Vorschrift des § 1600b Abs. 6 S. 2 BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung habe auf die bisherigen §§ 203 und 206 BGB verwiesen. Hierbei handelte es sich um die Regelungen zur Hemmung der Verjährung aus tatsächlichen Gründen und zur Ablaufhemmung bei nicht voll Geschäftigen. Eine dem § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB n.F. entsprechende gesetzliche Regelung habe vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts nicht existiert. Allerdings habe nach der bisherigen Rechtsprechung eine die Fristhemmung auslösende höhere Gewalt i.S.d. § 203 BGB a.F. vorgelegen, wenn ein Kläger außerstande war, die Kosten des Rechtsstreits selbst aufzubringen. Dabei habe es ausgereicht, dass das vollständige und ordnungsgemäß begründete Gesuch am letzten Tag der Verjährungsfrist gestellt wurde und danach die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Zustellung der Klage demnächst i.S.v. § 270 Abs. 3 ZPO a.F. möglich war.
Durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts sei in § 1600b Abs. 6 S. 2 BGB die Angabe "§§ 203, 206" durch die Angabe "§§ 206, 210" ersetzt worden. Bei den neuen Vorschriften handele es sich nunmehr um die den bisher §§ 203 und 206 BGB entsprechenden Regelungen zur Hemmung der Verjährung bei höherer Gewalt und zur Ablaufhemmung bei nicht voll Geschäftsfähigen.
Hierbei habe der Gesetzgeber offensichtlich übersehen, dass von dem bisherigen § 203 BGB auch der Fall erfasst gewesen sei, dass eine Partei die Kosten des Rechtsstreits nicht aufzubringen imstande war. Insoweit sei eine Regelung nunmehr ausdrücklich in § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB n.F. erfolgt.
Aus dem fehlenden Verweis auf § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB könne nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass es Absicht des Gesetzgebers war, eine der bisherigen ständigen Rechtsprechung entgegenstehende Regelung zu treffen, zumal mit der Neuregelung in § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB gerade habe sichergestellt werden sollen, dass die bedürftige Partei zur Rechtsverfolgung ebensoviel Zeit hat wie diejenige, die das Verfahren selbst finanziert.
Aus den genannten Gründen biete die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers hinreichende Aussicht auf Erfolg, so dass ihm Prozesskostenhilfe nicht versagt werden könne.
Link zur Entscheidung
OLG Dresden, Beschluss vom 27.07.2005, 20 WF 0337/05