Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung der Vaterschaft. Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Wahrung der Anfechtungsfrist des § 1600 b Abs. 1 BGB genügt unter den Voraussetzungen des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB ein am letzten Tag der Frist bei Gericht eingereichtes Prozesskostenhilfegesuch; dass § 1600 b Abs. 6 Satz 2 BGB keine entsprechende ausdrückliche Verweisung enthält, steht dem nach Sinn und Zweck der Hemmungsregelung nicht engegen.

 

Normenkette

BGB § 204 Abs. 1 Nr. 14, § 1600b Abs. 1, 6 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Hoyerswerda (Beschluss vom 04.04.2005; Aktenzeichen 2 F 0103/05)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Hoyerswerda vom 04.04.2005 aufgehoben. Dem Antragsteller wird für die von ihm beabsichtigte Klage Prozesskostenhilfe bewilligt.

 

Tatbestand

I.

Der am 11.05.2000 geborene Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine Vaterschaftsanfechtungsklage. Er behauptet, sein Erzeuger sei nicht der Antragsgegner, der von seiner Mutter seit 07.08.2001 getrennt lebende Ehemann, sondern Herr … N..

Auf Antrag der Mutter wurde das Stadtjugendamt H. mit Beschluss vom 10.03.2003 zum Ergänzungspfleger für die Vertretung des Antragstellers im Vaterschaftsanfechtungsverfahren bestellt.

Mit Schriftsatz vom 28.02.2005, eingegangen beim Familiengericht am 01.03.2005, beantragte der Antragsteller Prozesskostenhilfe für die von ihm beabsichtigte Vaterschaftsanfechtungsklage, erklärte, über kein eigenes Einkommen und Vermögen zu verfügen und reichte eine von seiner Mutter ausgefüllte Erklärung über deren persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse sowie entsprechende Belege ein.

Mit Verfügung vom 17.03.2005 veranlasste das Familiengericht die Übersendung des Prozesskostenhilfeantrags und des Klageentwurfs an den Antragsgegner zur Stellungnahme binnen zwei Wochen und wies den Antragsteller gleichzeitig darauf hin, dass es beabsichtige, Prozesskostenhilfe zu versagen, da die Anfechtungsfrist des § 1600 b BGB verstrichen sei.

Mit Schreiben vom 22.03.2005 nahm der Antragsteller Bezug auf die Vorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB und erklärte, dass nach seiner Auffassung mit der Einreichung des Prozesskostenhilfeantrages die Anfechtungsfrist vor Ablauf der zwei Jahre gehemmt sei.

Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 04.04.2005 den Prozesskostenhilfeantrag des Antragstellers abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Frist von zwei Jahren sei nur mit rechtzeitiger Erhebung der Klage zu wahren. Diese sei bisher jedoch nicht erhoben, da mit Schriftsatz vom 28.02.2005 ohne jeglichen „Eilt-Vermerk” oder Hinweis auf eine alsbald verstreichende Klagefrist nur ein Prozesskostenhilfeantrag mit einem Klageentwurf eingereicht worden sei. Aufgrund der bedingten Klageeinreichung sei die Klage bisher nicht anhängig und die Anfechtungsfrist damit nicht gehemmt. § 204 BGB regele die Verjährungsfristen, aber nicht die Ausschlussfrist von § 1600 b BGB. Die Vorschrift des § 1600 b Abs. 6 BGB lasse ausdrücklich nur die Regelungen der §§ 206 und 210 BGB entsprechend anwenden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der das Familiengericht nicht abgeholfen hat.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Antragsteller wurde während der Ehe seiner Mutter mit dem Antragsgegner geboren, so dass der Antragsgegner nach § 1592 Nr. 1 BGB gesetzlicher Vater des Antragstellers ist. Gem. § 1600 Abs. 1 BGB ist der Antragsteller berechtigt, die Vaterschaft anzufechten. Die Frist zur Anfechtung der Vaterschaft beträgt nach § 1600 b Abs. 1 S. 1 BGB zwei Jahre. Gem. § 1600 b Abs. 1 S. 2 BGB beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen. Da der Antragsteller minderjährig ist, kommt es auf die Kenntnis desjenigen gesetzlichen Vertreters an, der befugt ist, das Kind im Vaterschaftsanfechtungsprozess rechtswirksam zu vertreten. Die Frist beginnt daher erst zu dem Zeitpunkt, in dem die Vertretungsbefugnis hergestellt wird (OLG Köln, FamRZ 2001, 245; Palandt-Diederichsen, BGB, 64. Aufl., § 1600 b, Rn. 6). Im vorliegenden Fall erfolgte dies mit der Bestellung des Ergänzungspflegers für die Anfechtungsklage am 10.03.2003. Die Zwei-Jahres-Frist zur Erhebung der Anfechtungsklage nach § 1600 b Abs. 1 BGB wäre mithin am 10.03.2005 abgelaufen, sofern sie nicht durch den vom Antragsteller am 01.03.2005 eingereichten Prozesskostenhilfeantrag gehemmt ist.

Zwar verweist § 1600 b Abs. 6 S. 2 BGB nur auf die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206 und 210 BGB, nach denen der Fristablauf bei höherer Gewalt (§ 206 BGB) und gegenüber nicht voll Geschäftsfähigen ohne gesetzlichen Vertreter (§ 210 BGB) gehemmt wird; nicht ausdrücklich verwiesen wird auf die Vorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB, wonach die Hemmung des Fristablaufs bereits mit der Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrages auf Gewährung von Prozesskostenhilfe bzw. mit der Einreichung des ...

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