1 Leitsatz
Die notarielle Prüfpflicht nach § 15 Abs. 3 Satz 1 GBO umfasst auch die Zustimmung gem. § 12 Abs. 1 WEG.
2 Normenkette
§ 12 WEG; § 15 Abs. 3 Satz 1 GBO
3 Das Problem
Wohnungseigentümer Z verkauft sein Wohnungseigentum an B. Der Notar beantragt unter Bezugnahme auf die dem Grundbuchamt vorliegende beglaubigte Abschrift des Kaufvertrags gem. § 15 GBO, die Auflassung auf B zu vollziehen. Dem Antrag ist eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts, eine beglaubigte Abschrift einer Niederschrift vom 24.9.2019 sowie die beglaubigte Abschrift einer Erklärung vom 10.1.2020 beigefügt, mit welcher der Verwalter der Veräußerung an B zustimmt. Diese Erklärung enthält keinen Prüfvermerk des Notars.
Das Grundbuchamt hält das nicht für richtig. Es meint, die Erklärung bedürfe eines Prüfvermerks des die Unterschrift beglaubigenden Notars gem. § 15 Abs. 3 GBO i. V. m. § 49 GBO. Dagegen wendet sich der Notar.
4 Die Entscheidung
Ohne Erfolg! Es bedürfe eines Prüfvermerks hinsichtlich der Verwalterzustimmung. Die Verwalterzustimmung sei eine zur Eintragung notwendige Erklärung i. S. d. § 15 Abs. 3 Satz 1 GBO. Zwar werde zum Teil die Auffassung vertreten, die Prüfpflicht betreffe von den zur Eintragung erforderlichen Erklärungen i. S. d. § 29 Abs. 1 S. 1 GBO nur die eigentlichen grundbuchrechtlichen Erklärungen, wie z. B. §§ 19, 20, 22 Abs. 2, 26, 27 GBO, aber nicht auch ergänzende Erklärungen wie eine nach § 12 WEG erforderliche Zustimmung.
Überwiegend werde aber die Auffassung vertreten, die notarielle Prüfpflicht umfasse sämtliche zur Grundbucheintragung erforderlichen Erklärungen und Erklärungsbestandteile i. S. v. § 29 Abs. 1 GBO, jedenfalls aber die Verwalterzustimmung gem. § 12 Abs. 1 WEG (Hinweis u. a. auf OLG Köln, Beschluss v. 5.8.2019, I-2 Wx 220/19, MDR 2019 S. 1443 und Hügel/Hügel, GBO, 4. Aufl., 15 Rn. 82). Dem sei auch zu folgen. Denn die Prüfpflicht des § 15 Abs. 3 S. 1 GBO erstrecke sich auf "die zu der Eintragung erforderlichen Erklärungen", zu denen auch die Verwalterzustimmung nach § 12 WEG zähle. Soweit sich der Notar auf die Verwendung des Begriffs der "Eintragungsfähigkeit" in § 15 Abs. 3 S. 1 GBO berufe, halte der Senat dieses Argument nicht für zwingend.
5 Hinweis
Problemüberblick
Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 GBO sind die zu einer Eintragung im Grundbuch erforderlichen Erklärungen vor ihrer Einreichung für das Grundbuchamt von einem Notar grundsätzlich auf "Eintragungsfähigkeit" zu prüfen. Wie vom OLG Naumburg dargestellt, ist streitig, ob eine Zustimmung, die nach § 12 Abs. 1 WEG nach einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer erforderlich ist, eine solche Erklärung ist, die der Notar zu prüfen hat.
Prüfpflicht
Dem OLG, welches eine Prüfpflicht bejaht, ist zuzustimmen. Warum? Die Prüfpflicht gibt es seit dem Jahr 2017. Sie soll die "integrale" Rolle des Notars im eigentlichen Grundbuchverfahren festigen und unterstreichen (OLG Celle, Beschluss v. 13.11.2017, 18 W 57/17, Rpfleger 2018 S. 252 ff.; Diehn/Rachlitz, DNotZ 2017, S. 487, 492). Der Notar hat daher die zur Eintragung in das Grundbuch erforderlichen Erklärungen zu prüfen und als (positives) Ergebnis seiner Prüfung die Eintragungsfähigkeit zu bescheinigen. § 15 Abs. 3 Satz 1 GBO verdichtet damit eine bereits bestehende, allgemeine Prüfpflicht des Notars nach § 40 Abs. 2 BeurkG i. V. m. § 4 BeurkG (Evidenzkontrolle) auf eine konkretisierte (Dienst-)Pflicht (Herrler, NJW 2017, S. 3605), und zwar in Bezug auf eigene und fremde Erklärungen.
Diese Prüfung steht ausschließlich im öffentlichen Interesse, denn der Notar nimmt die Aufgabe einer externen Rechtsantragsstelle wahr und handelt im Rahmen einer justiziellen Amtspflicht und Zuständigkeit (vgl. BT-Drs. 18/10607, S. 106, 109, 110). Ziel der Neuregelung war es, zu beanstandende Eintragungsanträge zurückzudrängen und damit präventiv zur Effizienzsteigerung sowie zur Stärkung der materiellen Richtigkeit des Grundbuchs beizutragen (OLG Celle, Beschluss v. 13.11.2017, 18 W 57/17, Rpfleger 2018 S. 252 ff.). Dabei geht das Gesetz zutreffend davon aus, dass Notare zur Prüfung formeller und materieller Eintragungsvoraussetzungen in das Grundbuch besonders geeignet sind (BT-Drs. 18/10607, S. 109).
Wollte man die Prüfpflicht nur auf die eigentlichen grundbuchrechtlichen Erklärungen anwenden, wäre das Ziel, zu beanstandende Eintragungsanträge zurückzudrängen und die Effizienz des Eintragungsverfahrens durch Einbeziehung der hohen Kompetenz der Notare zu steigern, kaum zu erreichen. Gegen eine enge Auslegung spricht auch § 15 Abs. 3 Satz 2 GBO. Danach sind Erklärungen einer öffentlichen Behörde von der Prüfpflicht ausgenommen. § 15 Abs. 3 Satz 2 GBO betrifft indes nicht nur die Eintragungsbewilligung selbst, sondern auch sonstige zu der Eintragung erforderliche Erklärungen i. S. d. § 29 GBO, also z. B. Erklärungen der Finanzämter, Gemeinden, Vermessungsbehörden und öffentlicher Sparkassen.
6 Entscheidung
OLG Naumburg, Beschluss v. 15.4.2021, 12 Wx 46/20