1 Leitsatz
Sieht die Gemeinschaftsordnung vor, dass ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums der Zustimmung des Verwalters bedarf, ist seit dem Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes am 1.12.2020 eine Klage auf Zustimmung stets gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten. Dies gilt auch dann, wenn die Vereinbarung vor diesem Datum getroffen worden ist.
2 Normenkette
§ 12 WEG
3 Das Problem
Mit Vertrag vom 29.10.2020 veräußert K ihr Teileigentum zu einem Kaufpreis von 240.000 EUR an eine Erwerberin. Nach der Gemeinschaftsordnung aus dem Jahr 1985 bedarf die Veräußerung des Wohnungseigentums der Zustimmung des Verwalters. K bittet daher den Verwalter B um Zustimmung. B weigert sich, weil er meint, es spreche ein wichtiger Grund gegen die Zustimmung. Aus diesem Grund klagt K gegen B auf Zustimmung. Fraglich ist, ob B der richtige Beklagte ist.
4 Die Entscheidung
Der BGH meint, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei die richtige Beklagte! Werde in einer Gemeinschaftsordnung die Veräußerung von der Zustimmung des Verwalters abhängig gemacht, werde dieser lediglich als Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer angesprochen. Ein eigenes Zustimmungsrecht stehe ihm nicht – auch nicht als Treuhänder – zu. Entscheidend für die Verpflichtung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer spreche, dass der Gesetzgeber die Aufgaben und Befugnisse des Verwalters und das Verhältnis des Verwalters zu der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zum 1.12.2020 grundlegend neu ausgestaltet habe. Dieser Paradigmenwechsel könne nicht ohne Auswirkungen auf die Auslegung einer Alt-Gemeinschaftsordnung bleiben, wonach der Verwalter einer Veräußerung zustimmen müsse. Nächstliegender Auslegung entspreche es, den Verwalter nicht als beliebigen "Dritten" i. S. d. § 12 Abs. 1 WEG zu verstehen, sondern als Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Bei der Organstellung des Verwalters handele es sich nämlich um einen für jeden ohne Weiteres erkennbaren Umstand, weil er sich aus dem Gesetz ergebe. Auch wenn es zweckmäßig sei, in der Gemeinschaftsordnung juristisch präzise die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, vertreten durch den Verwalter, als zustimmungsbefugt zu bezeichnen, sei es unschädlich, wenn – in abgekürzter Ausdrucksweise – der Verwalter aufgeführt sei. Dies gelte auch dann, wenn die Alt-Gemeinschaftsordnung ausnahmsweise dem Verwalter die Erteilung der Zustimmung eindeutig als eigenes – nur von ihm wahrnehmbares – Recht zuweisen sollte. Aus § 47 WEG komme der eindeutige Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, bei der Auslegung von Vereinbarungen im Zweifel dem neuen Recht zur Geltung zu verhelfen.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um die Frage, wer der Veräußerung des Teileigentums zustimmen muss: Der Verwalter, weil er ausdrücklich in der Gemeinschaftsordnung als zuständige Stelle benannt ist. Oder die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, die seit dem 1.12.2020 das gemeinschaftliche Eigentum verwaltet und deren bloßes Organ der Verwalter ist. An der Beantwortung dieser Frage hängt zum einen die Lösung, wer zu verklagen ist (= die Fallfrage). An der Beantwortung hängt aber auch die Lösung, wer für eine zu Unrecht nicht erteilte Zustimmung originär haftet, was gilt, wenn es keinen Verwalter gibt, und – mittelbar – was für alle anderen Zustimmungen gilt, die nach einer Gemeinschaftsordnung durch die Verwaltung zu erteilen sind.
Gemeinschaftsordnung und Zustimmung
Die Wohnungseigentümer hatten in der Vergangenheit vielfach vereinbart und zum Inhalt des Sondereigentums gemacht, dass der Verwalter weitere Pflichten erfüllen muss. Man muss diese Vereinbarungen jetzt mit neuen Augen sehen: Nicht mehr als eine Übertragung von Aufgaben an den Verwalter, sondern als Beschluss i. S. v. § 27 Abs. 2 WEG und die Verwaltungen damit als berechtigt ansehen, ohne Weiteres den Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu bilden. Da die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und nicht der Verwalter sich zu erklären hat, wird man ferner annehmen müssen, dass es sich bei Erklärungen gegenüber Dritten um Handlungen handelt, die § 9b Abs. 1 WEG unterfallen. Dies heißt aber auch, dass es nicht mehr möglich ist, dass die Wohnungseigentümer durch einen Beschluss den Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bilden. Denn auch in diesem Fall bedarf es wohl einer Äußerung nach außen.
Streitwert
Der BGH hat mit der Entscheidung auch geklärt, dass der Streitwert einer Klage auf Erteilung der Zustimmung zur Veräußerung des Wohnungseigentums nach § 12 Abs. 1 WEG in der Regel 20 % des Verkaufspreises des Wohnungseigentums beträgt. Der Nachteil des Wohnungseigentümers, der veräußern will, liegt grundsätzlich nur in der Verzögerung der Veräußerung oder ggf. in einem geringeren Verkaufspreis. Dieser Nachteil entspricht nicht dem Kaufpreis, sondern ist mit einem Bruchteil davon zu bewerten.
Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?
Jede Verwaltung muss wissen, dass die bisherigen Gemeinschaftsordnungen anders gelesen werden müssen: Wird dort an den Verwalter eine weite...