Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 14 Nr. 1 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, § 23 Abs. 4 WEG
Kommentar
1. Zum Sachverhalt:
Mit Mehrheitsbeschluss gestattete die Eigentümergemeinschaft DG-Wohnungseigentümern den Einbau einer Treppe von ihren jeweiligen Wohnungen aus zu darüberliegenden sondergenutzten Spitzböden unter der Voraussetzung baurechtlicher Genehmigung. In allen 3 Instanzen wurde die Anfechtung gegen diesen Beschluss zurückgewiesen.
2. Aus den Gründen:
Die durch Eigentümerbeschluss gestattete Baumaßnahme sei als bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 WEG zu beurteilen, da beim Einbau der Innentreppe und der Öffnung eines weiteren Zuganges zum Spitzboden die gemeinschaftliche Decke durchstoßen werden müsste. Auch wenn hier die Decke eine Holzbalkenkonstruktion sei und die Öffnung deshalb ohne technische Schwierigkeiten wieder geschlossen werden könnte, werde doch das gemeinschaftliche Eigentum nicht nur vorübergehend verändert.
Damit sei jedoch noch nicht die Frage beantwortet, ob die betreffenden Eigentümer diese Baumaßnahme durchführen dürften; dies hänge davon ab, ob einer der restlichen Eigentümer durch den Treppeneinbau in seinen Rechten über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werde. Unter Nachteil sei im Sinne verfestigter Senatsrechtsprechung nicht jede ganz unerhebliche Beeinträchtigung im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG zu verstehen. Der Senat sei hier grundsätzlich an verfahrensfehlerfrei getroffene Feststellungen der Vorinstanzgerichte gebunden. Hier habe das Landgericht ein Gutachten zu möglichen Nachteilen eingeholt mit naheliegenden und bindenden Ergebnissen auch für das Rechtsbeschwerdegericht.
Das Gutachten als Grundlage der landgerichtlichen Entscheidung sei zu dem Ergebnis gelangt, dass der Einbau der Treppen im vorliegenden Fall weder schalltechnische noch statische noch brandtechnische Nachteile mit sich bringe und wegen der geringen Ausdehnung der Spitzböden in Breite und Höhe auch eine wohnungsähnliche Nutzung dieser Räume ausscheide. Bei notwendigerweise typisierender Betrachtung und unter Berücksichtigung der Besonderheiten des konkreten Falles seien deshalb die Vorinstanz-Entscheidungen nicht zu beanstanden. Wenn auch durch die Innentreppen eine intensivere Nutzung der Spitzboden-Abstellräume ermöglicht werde, so könne darin im Vergleich zum bisherigen Zustand kein ins Gewicht fallender Nachteil für die übrigen Eigentümer gesehen werden. Aus diesem Grund sei auch der Eigentümerbeschluss nicht für ungültig zu erklären gewesen, der für die bauwilligen Eigentümer Planungssicherheit erzeugte.
3. Auch außergerichtliche Kostenerstattung im Rechtsbeschwerdeverfahren zu Lasten der Antragsteller bei Geschäftswertansatz für das Rechtsbeschwerdeverfahren von 4.000 DM.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 22.04.1994, 2Z BR 9/94)
Zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigenümer
Anmerkung:
Wenn nach vorliegendem Sachverhalt sicher von einem gesondert gelagerter Einzelfall zu sprechen ist, scheint nun doch in diesen und ähnlichen Fragen baulicher Veränderungen des Gemeinschaftseigentums (Decken- und vielleicht auch Mauerwanddurchbrüche) die Rechtsprechung etwas liberaler zu werden, zumal dann, wenn solche Raumverbindungen keine objektiven Nachteile anderer Miteigentümer erkennen lassen (insbesondere in statischer, schalltechnischer oder brandsicherheitsrechtlicher Hinsicht) und insbesondere mit einer Integrierung solcher Räumlichkeiten in die eigene Wohnung keine Zweckänderung und insbesondere auch keine intensivere Nutzung gegenüber bisheriger Zweckvereinbarungen (hier: Abstellraumnutzung) beabsichtigt ist (vgl. hierzu auch die Entscheidung des BayObLG, Entscheidung v. 22. 4. 19994, Az.: 2Z BR 1/94). Durch solche Innentreppenverbindungen wird ja überdies gemeinschaftliches Eigentum (Flur mit oft bestehenden Einschubtreppen) entlastet und - wie in diesem Verfahren angesprochen - sogar das Flachdach geschont (wohl durch entsprechende Beheizung bzw. Erwärmung der Spitzbodenräume unmittelbar durch darunterliegende Wohnungen).
Bei bekannt entgegenstehender obergerichtlicher Rechtsprechung zu ähnlichen Treppenverbindungen (das KG Berlin sprach einmal bei einer Treppenverbindung von einer Wohnung in die darüberliegende Wohnung u.a. von einem erhöhten Brandrisiko durch mögliche Zugerscheinungen) sollte dieser neuerliche Beschluss des BayObLG (sicher zu einem gesonderten Einzelfall) m.E. Schule machen und zu ähnlich liberalen Entscheidungen auch in vergleichbaren Fällen ohne erkennbare objektive Nachteilswirkungen für andere Eigentümer führen.