Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 23 WEG, § 24 Abs. 6 WEG, § 416 ZPO
Kommentar
1. In einer Teilungserklärung war vereinbart:
"In Ergänzung des § 23 WEG wird bestimmt, dass zur Gültigkeit eines Beschlusses der Wohnungseigentümerversammlung außer den dort genannten Bestimmungen die Protokollierung des Beschlusses erforderlich ist. Das Protokoll ist vom Verwalter und von zwei von der Eigentümerversammlung bestimmten Wohnungseigentümern zu unterzeichnen."
2. Eine solche Vereinbarung ist wirksam; ein Verstoß hiergegen führt zu (begründeten) Beschlussanfechtungen.
Vorliegend wurden die beiden das Versammlungsprotokoll unterzeichnenden Eigentümer entgegen der Vereinbarung nicht von der Eigentümerversammlung bestimmt. Aus dem systematischen und sachlichen Zusammenhang der gesamten Vereinbarungsregelung folgt auch, dass nur solche Eigentümer ein Protokoll unterschreiben können/sollen, die an der Versammlung auch teilgenommen haben und damit auch das Vertrauen der Versammlungsmehrheit genießen, eine richtige Protokollierung zu gewährleisten (vgl. Wangemann, Die Eigentümerversammlung nach WEG, Rn. C 302).
Die vorgenannte Vereinbarungsregelung weicht in zweifacher Hinsicht von § 24 Abs. 6 WEG ab; sie ändert die Unterschriftsberechtigung und die sich aus einem Verstoß gegen die vereinbarte Form des Protokolls ergebende Rechtsfolge für die gefassten Beschlüsse. Für die gesetzliche Regelung ist allgemein anerkannt, dass eine fehlende oder fehlerhafte Unterschrift unter das Protokoll die - protokollierten - Beschlüsse nicht fehlerhaft macht, sondern nur den Beweiswert des Protokolls als Privaturkunde im Sinne des § 416 ZPOschmälert (h.M.). Nach Ansicht des vorlegenden OLG Hamburg, des KG Berlin (WM 93, 709) und von Wangemann (Rn. C 303) soll dies auch für den Verstoß gegen eine vom Gesetz abweichend vereinbarte Regelung über die Protokollierung gelten; dem schließt sich der Senat jedoch nicht an.
Vorliegend durch nicht eigens von der Versammlung bestimmte Eigentümer weisen alle Beschlüsse dieser Versammlung einen Mangel auf, der die Ungültigkeit der gefassten Beschlüsse unabhängig davon begründet, ob er sich auf die Richtigkeit des Protokolls ausgewirkt hat. Dies ergibt eine an den für Grundbucheintragungen maßgeblichen Grundsätzen orientierte, d.h. am Wortlaut, an seinem Sinn und an dem systematischen Zusammenhang ausgerichtete Auslegung der fraglichen Vereinbarungsklausel (was in den Entscheidungsgründen näher ausgeführt wird). In der Teilungserklärung wurde hier die Protokollierung ausdrücklich (nur) als Gültigkeitsvoraussetzung ausgestaltet (nicht also als widrigenfalls Beschlussnichtigkeiten begründende Wirksamkeitsvoraussetzung von Beschlüssen selbst).
Auch die Wahrung der hier vereinbarten Unterschriftsform ist ebenfalls Gültigkeitsvoraussetzung für die gefassten Beschlüsse. Das Gesetz sollte hier ausdrücklich nur "ergänzt"werden, so dass nicht von einer Gesetzesabweichung ausgegangen werden konnte. Hätte der teilende Eigentümer anderes gewollt, hätte er dies im Rahmen seiner Dispositionsbefugnis (Zulässigkeit gesetzesabweichender Vereinbarungen) ausdrücklich regeln müssen.
3. Die hier getroffene Vereinbarung verstößt auch weder gegen zwingendes Recht noch gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, hält also auch einer richterlichen Inhaltskontrolle stand. Da von einer Gültigkeits- und nicht von einer Beschlussexistenzvoraussetzung auszugehen war, kamen die Beschlüsse auch mit Beschlussfassung zustande, so dass eine Anfechtungsfrist mit diesem Zeitpunkt zu laufen beginnt und deswegen eine Rechtsunsicherheit insoweit nicht entstehen kann. Die Möglichkeit der Anfechtung lässt i.Ü. den Anspruch der Wohnungseigentümer auf ordnungsgemäße Protokollierung unberührt (Bub in Festschrift für Seuß, 1997, 53, 57; a.A. Wangemann, Rn. C 296). Bei unberechtigter Verweigerung der Unterschriftsleistung müssen daher beide Verfahren nebeneinander betrieben und ggf. miteinander verbunden werden.
Die hier vereinbarte Klausel trägt darüber hinaus auch aus dem Grunde zur Rechtssicherheit bei, weil sie zwar nicht die Gültigkeit ordnungsgemäß protokollierter Beschlüsse gewährleistet, wohl aber die sich bei nicht ordnungsgemäß protokollierten Beschlüssen aus dem Wegfall der Beweiserleichterungen des Protokolles ergebenden Beweisprobleme bei der Feststellung, ob und mit welchem Inhalt ein Beschluss wirksam zustande gekommen ist, einer formalisierten Lösung zuführt. Dies dient dem Interesse der Eigentümer an einer durch das Protokoll ausgewiesenen Beschlusslage, d.h. ihrem Schutz vor inhaltlich und formal nicht ordnungsgemäß protokollierten Beschlüssen. Dieses Interesse an der "negativen Publizität" des Beschlussprotokolles (Bub, Seite 58 in der Festschrift) ist berechtigt und wird von der Rechtsordnung an anderer Stelle auch ausdrücklich geschützt (was vom Senat näher belegt wird durch Hinweise zum Aktiengesellschaftsrecht, zum Genossenschaftsrecht und zum GmbH-Recht). Auch im Wohnungseigentumsrecht besteht ein schützenswertes Interesse daran, wegen der kurzen Frist für die...