Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 10 WEG, § 15 WEG, § 1004 BGB
Kommentar
1. Ein Teileigentümer erwarb 1985 vom teilenden Eigentümer ein Sondereigentum, in dem er seit dieser Zeit ein Bäckerei-Geschäft betreibt. In den Kaufverträgen war für alle Ersterwerber von Gewerbeeinheiten in dieser Anlage eine Konkurrenzverbotsklausel vereinbart mit entsprechender Verpflichtungsunterwerfung, diese Verbotsklausel auch Rechtsnachfolgern weiterzugeben. 1989 steigerte ein anderer Eigentümer eine Gewerbeeinheit ein, in der er daraufhin einen Supermarkt eröffnete. Es kam dann zu einer bestandskräftigen Mehrheitsbeschlussfassung in der Gemeinschaft, nach der dem neuen Supermarkt-Eigentümer Zustimmung erteilt wurde zur Erweiterung seines Geschäftsbetriebs um 300 qm Nutzfläche nach vorliegenden Plänen unter gleichzeitiger Einräumung eines unwiderruflichen Sondernutzungsrechts zu Lasten der Gemeinschaftsfläche. Weiterhin wurde die vor der Zwangsversteigerung gültige Konkurrenzklausel aus den früheren Kaufverträgen als fortbestehend beschlossen. Anschließend eröffnete der Supermarktinhaber in seinen Räumlichkeiten nach durchgeführter Baumaßnahme im Eingangsbereich vor den Kassen einen Bäckerei-Shop.
Dem Unterlassungsantrag des "Alt-Nachbareigentümers" (Bäckerei) wurde in allen drei Instanzen stattgegeben.
2. Ein solcher Unterlassungsanspruch kann nach absolut h.R.M. von jedem einzelnen Miteigentümer individuell ohne erforderlichen ermächtigenden Beschluss der Gesamtgemeinschaft geltend gemacht werden. Der seinerzeitige Beschluss zugunsten des "Supermarkt-Neueigentümers" sei bestandskräftig geworden, absolute Nichtigkeitsgründe seien nicht ersichtlich; insbesondere verstießen Konkurrenzschutzklauseln nicht gegen die Regeln des lauteren Wettbewerbs oder des Kartellrechts. Zwar hätten die Regelungen einer entsprechenden Vereinbarung, jedenfalls aber eines die fehlende Vereinbarung ersetzenden einstimmigen Beschlusses der Gemeinschaft bedurft; ein solcher Fehler hätte allerdings auch nur zur Beschlussanfechtbarkeit, nicht allerdings zur Nichtigkeit geführt, weil die Eigentümerversammlung hinsichtlich des Beschlussgegenstandes (Gebrauchsbeschränkung, bauliche Änderung) nicht absolut unzuständig gewesen sei. Damit hätte der Neu-Eigentümer auch das Konkurrenzverbot beachten müssen.
3. Bei gebotener objektiv-normativer Auslegung von Beschlüssen (nach objektiver Erklärungsbedeutung) war die Auslegung des LG nicht zu beanstanden, dass es entscheidend auf die Übereinstimmung des Grundcharakters des betroffenen Unternehmens ankomme. Eine solche objektive Auslegung liege schon deshalb nahe, weil der "wirkliche Wille" vieler abstimmender Eigentümer oft nicht übereinstimmend sei. Da Beschlüsse auch für Sonderrechtsnachfolger wirkten ( § 10 Abs. 3 WEG), müssten auch Beschlüsse wegen dieser normähnlichen Auswirkungen protokolliert werden ( § 24 Abs. 6 WEG). Die vorliegend beschlossene Konkurrenzklausel bedeute nach dem Beschlusswortlaut einen effektiven Konkurrenzschutz, da Ausnahmen den Schutz anderer Eigentümer leerlaufen ließen. Auch der "Mitbetrieb" eines Bäckereigeschäfts im großen Supermarkt verletze deshalb diesen Konkurrenzschutz gegenüber einem anderen, langjährigen Bäckereibetrieb in der Anlage. Ein bestandskräftig beschlossenes Konkurrenzverbot, welches entscheidend auf die Übereinstimmung des Grundcharakters des Unternehmens mit dort schon ansässigen Geschäftsbetrieben abhebe, verbiete es, neben einem Bäckereigeschäft in der größten Gewerbeeinheit (Supermarkt) einen sog. weiteren Bäckerei-Shop zu betreiben.
4. Auch außergerichtliche Kostenerstattung des unterlegenen Eigentümers in Dritter Instanz bei Geschäftswertansatz für diese Instanz von DM 50.000,-.
Link zur Entscheidung
( OLG Hamm, Beschluss vom 13.02.1997, 15 W 445/96)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Meines Erachtens hätte das OLG Hamm wie in früherer Entscheidung bei solch" weitgehenden Beschlüssen über offensichtlich nur schuldrechtlich, jedoch unwiderruflich eingeräumte Sondernutzungsrechte an Gemeinschaftsfläche und Gestaltung erheblicher Erweiterungsan- oder -umbauten näher auf die Problematik möglicher (zulässiger) Beschlussfassung (Zitterbeschlussfassung) bzw. schuldrechtlicher oder dinglicher Vereinbarung eingehen müssen (vgl. hierzu die von mir kritisierte Entscheidung des Senats ( OLG Hamm, Entscheidung vom 10. 9. 96, Az.: 15 W 236/96). Auch wenn die Sachverhalte zu den jeweils sehr einschneidenden Gestattungsmaßnahmen unterschiedlich lagen (in der vorgenannten früheren Entscheidung des Senats ging es um die verneinte Zustimmungsverpflichtung von Sondernachfolgern), wäre auch vorliegend zu fragen gewesen, ob diese Rechte überhaupt vom Inhalt her durch bestandskräftigen Beschluss und nicht nur durch schuldrechtliche oder dingliche Vereinbarung einem Eigentümer eingeräumt werden konnten. Ich begrüße an sich das jetzige Ergebnis möglicher (gültiger) Beschlussfassung auch bei solchermaßen gravierenden Veränderungsmaßnahmen zugunsten eines einzelnen Eigentümers.
Da im vo...