Leitsatz
Die Antragstellerin war eine in der Schweiz wohnhafte deutsche Staatsangehörige, die Verfahrenskostenhilfe für einen Scheidungsantrag begehrte. Der Antragsgegner war türkischer Staatsangehöriger. Die Beteiligten hatten am 3.11.1998 in der Türkei die Ehe geschlossen. Der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Beteiligten befand sich in der Schweiz. Nach der Trennung der Eheleute im Jahr 2007 zog der Antragsgegner wieder nach Deutschland in den Bezirk des AG - Familiengericht -, in dem die Beteiligten früher ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten.
Das AG wies den Antrag auf die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurück und führte zur Begründung an, die beabsichtigte Rechtsverfolgung sei mutwillig, weil die Beteiligten eine Entscheidung vor einem Schweizer Familiengericht auf einfachere Weise erlangen könnten und eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei deshalb ihre Rechte in gleicher Weise verfolgen würde. Das auf den Scheidungsantrag anzuwendende Recht richte sich nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB. Anzuwenden sei schweizerisches Recht. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs durch ein deutsches Gericht sei schwierig, weil die in der Schweiz von den Eheleuten erworbenen Anrechte auf Altersversorgung zu bewerten seien. Den Beteiligten sei auch zumutbar, das zuständige Schweizer Gericht anzurufen, da die Antragstellerin ihren Wohnsitz in der Schweiz habe.
Gegen die Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe legte die Antragstellerin sofortige Beschwerde ein.
Ihr Rechtsmittel hatte Erfolg.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG vertrat die Auffassung, das international und örtlich zuständige Familiengericht könne die begehrte Verfahrenskostenhilfe nicht mit dem Argument der Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung, an deren hinreichender Erfolgsaussicht im Übrigen kein Zweifel bestehe, zurückweisen.
Die Antragstellerin habe einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes im Inland. Dieser Justizgewährungsanspruch resultiere aus dem Rechtsstaatsprinzip im Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 1 GG bzw. einzelnen weiteren Grundrechten. Er sei auch bei der Gestaltung der Verfahrenskostenhilfe, die die Situation einer unbemittelten Person weitgehend der Situation eines Bemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes angleichen solle, zu beachten. Schließlich sprächen auch praktische Erwägungen gegen die vom FamG herangezogenen Gesichtspunkte. Die sichere Beurteilung, ob eine Rechtsverfolgung im Ausland kostengünstiger und effektiver sei, setze nicht nur eine profunde Kenntnis des dortigen Prozessrechts, internationalen Privatrechts und Sachrechts voraus, sondern auch der ausländischen Gerichtspraxis. Die Prüfung des Verfahrenskostenhilfeantrages wäre dann mit komplizierten Erwägungen befrachtet, was seinem Zweck als vorgeschaltetem kursorischen Prüfungsverfahren widerspreche.
Link zur Entscheidung
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.08.2010, 5 WF 122/10