Entscheidungsstichwort (Thema)
Antragsteller könne sein Recht kostengünstiger oder einfacher vor einem (ebenfalls zuständigen) Schweizer Gericht verfolgen, kein Grund für Ablehnung des Verfahrenskostenhilfeantrags von deutschem Staatsangehörigen für Ehescheidungsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
Ist ein deutsches Familiengericht für das Ehescheidungsverfahren international zuständig, darf dem im Ausland lebenden Antragsteller Verfahrenskostenhilfe nicht mit der Begründung versagt werden, die Rechtsverfolgung im Inland sei mutwillig.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; FamFG § 76; ZPO § 114
Verfahrensgang
AG Konstanz (Beschluss vom 31.05.2010) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengerichts - Konstanz vom 31.5.2010 geändert:
Der Antragstellerin wird Verfahrenskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt. Ihr wird als Verfahrensbevollmächtigter Rechtsanwalt S. beigeordnet.
Die Antragstellerin hat ab Aufforderung monatliche Raten von 75 EUR auf die bewilligte Verfahrenskostenhilfe zu leisten.
Gründe
I. Die Antragstellerin ist eine in der Schweiz wohnhafte deutsche Staatsangehörige, die Verfahrenskostenhilfe für einen Scheidungsantrag begehrt. Der Antragsgegner ist türkischer Staatsangehöriger. Die Beteiligten haben am 3.11.1998 in der Türkei die Ehe geschlossen. Der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Beteiligten befand sich in K./Schweiz. Nach der Trennung der Parteien im Jahr 2007 zog der Antragsgegner wieder nach Deutschland in den Bezirk des AG - Familiengerichts -, in dem die Beteiligten früher ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten.
Mit Beschluss vom 31.5.2010 wies das AG - Familiengericht - den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurück. Zur Begründung führte das AG - Familiengericht - aus, die beabsichtigte Rechtsverfolgung sei mutwillig, weil die Beteiligten eine Entscheidung vor einem schweizerischen Familiengericht auf einfachere Weise erlangen könnten und eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei deshalb ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde. Das Ehescheidungsverfahren richte sich nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB nach schweizerischem Recht. Dabei habe das Gericht nach Art. 112 Abs. 3 ZGB hinsichtlich der Scheidung und der streitigen Scheidungsfolgen ein Gesamturteil zu fällen. Dies bereite im Hinblick auf die Scheidungsfolge Versorgungsausgleich erhebliche Schwierigkeiten, weil die Bestimmung des Verhältnisses, in welchem Austrittsleistungen zu teilen seien (Art. 142 Abs. 1 ZGB), von einem deutschen Gericht nicht ohne sachverständige Hilfe vorgenommen werden könne. Den Beteiligten sei auch zumutbar, ein ebenso zuständiges schweizerisches Gericht anzurufen, nachdem die Antragstellerin ihren Wohnsitz in der Schweiz habe.
Gegen diesen am 7.6.2010 zugestellten Beschluss richtet sich die am 9.6.2010 eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin. Die Antragstellerin rügt, dass sie als deutsche Staatsangehörige darauf verwiesen werde, ihren Anspruch auf Ehescheidung im Ausland zu verfolgen. Ferner weist sie daraufhin, dass die Beteiligten den Versorgungsausgleich, soweit rechtlich möglich, ausschließen wollten.
Das AG - Familiengericht - half mit Beschluss vom 9.8.2010 der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte sie dem OLG vor. Zur Begründung führte es aus, das Gericht verkenne nicht, dass die Antragstellerin deutsche Staatsangehörige sei und ihr der Zugang zu den deutschen Gerichten eröffnet sein müsse. Es sei allerdings nicht erkennbar, warum dies auf Kosten der Allgemeinheit geschehen müsse, wenn es am Wohnsitz der Antragstellerin gleichwertigen Rechtsschutz gebe, für den noch nicht einmal Anwaltszwang bestehe.
II. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und begründet. Das international und örtlich zuständige AG - Familiengericht - (Art. 3 Abs. 1 EG-VO Ehesachen, § 122 FamFG) kann die begehrte Verfahrenskostenhilfe nicht mit dem Argument der Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung, an deren hinreichender Erfolgsaussicht im Übrigen kein Zweifel besteht, zurückweisen.
Die Antragstellerin hat, soweit deutsche Gerichte für ihr Rechtsschutzbegehren zuständig sind, einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes in bürgerlich-rechtlichen Rechtsstreitigkeiten. Dieser Justizgewährungsanspruch resultiert aus dem Rechtsstaatsprinzip im Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 1 GG bzw. einzelnen weiteren Grundrechten (BVerfGE 85, 337, 345; 88, 118, 123; 108, 341, 347; Huber, in Mangoldt/Klein/Stark, GG I, Art. 19 Abs. 4 Rz. 352, 355; Maunz/Dürig/Schmidt-Aßmann, GG, Art. 19 Abs. 4 GG Rz. 16). Die Gewährleistung schließt zwar eine gesetzliche Ausgestaltung der Voraussetzungen und Bedingungen des Zugangs nicht aus. Der Zugang zu den Gerichten darf aber nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (BVerfGE 81.123.129).
Der Justizgewährungsanspruch ist auch bei der Gestaltung der Verfahrenskosten...