Entscheidungsstichwort (Thema)
Überprüfung zivilgerichtlicher Entscheidungen zur Frage des Bewertungszeitpunkts bei der Anrechnung von Zuwendungen auf den Pflichtteil am Maßstab des Grundrechts auf rechtliches Gehör und des Willkürverbots
Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Beschluss vom 05.10.2004; Aktenzeichen 2 U 2279/04) |
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 28.05.2004; Aktenzeichen 14 O 5473/00) |
Tenor
1. Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen.
2. Der Beschwerdeführerin wird eine Gebühr von 750 Euro auferlegt.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen das Schlussurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 28. Mai 2004 Az. 14 O 5473/00 und den Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 5. Oktober 2004 Az. 2 U 2279/04, mit dem die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen wurde.
1. Hintergrund der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Rechtsstreitigkeiten ist eine erbrechtliche Auseinandersetzung um den Nachlass des am 23. September 1991 verstorbenen Vaters der Beschwerdeführerin. Der Wert des Nachlasses betrug 1.244.254 DM. Alleinerbe wurde der Bruder der Beschwerdeführerin; ihr selbst steht ebenso wie ihrer Schwester und ihrer Mutter eine Pflichtteilsquote von ⅛ zu.
Die Beschwerdeführerin erhielt von ihren Eltern zu Lebzeiten des Vaters Zuwendungen mit der Bestimmung, dass diese auf den Pflichtteil anzurechnen seien.
Am 22. Dezember 1971 schlossen die im Güterstand der Gütergemeinschaft lebenden Eltern der Beschwerdeführerin mit ihren zum damaligen Zeitpunkt noch minderjährigen, durch einen Ergänzungspfleger vertretenen Töchtern einen notariell beurkundeten Überlassungsvertrag, in dem sie ihnen je zur Hälfte Grundstücke („Ackerland”) schenkten, nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin mit einer Gesamtfläche von 8.786 qm. Ziffer IX dieses Vertrags enthält u. a. folgende Bestimmung:
„Die Überlassung erfolgt schenkungsweise, jedoch unter der Auflage, dass die Erwerberinnen verpflichtet sind, sich den Wert der geschenkten Grundstücke nach den Wertverhältnissen im Zeitpunkt des Ablebens des zuerst versterbenden Elternteils bzw. für den Fall einer vor diesem Zeitpunkt stattfindenden Veräußerung der Grundstücke zu dem Betrag des erzielten Veräußerungserlöses als Vorempfang auf einen von ihnen etwa geltend gemachten Pflichtteilsanspruch gegen die Erben ihrer Eltern anrechnen zu lassen, desgleichen auf ihre gesetzlichen Ansprüche gegen die Erben ihrer Eltern.”
Mit notariellem Vertrag vom 24. Dezember 1973 erhielt die Beschwerdeführerin wie ihre Geschwister an einer Brauerei der Eltern eine Unterbeteiligung, die ebenfalls mit einer Anrechnungsbestimmung auf den Pflichtteil versehen war und die nach der Auseinandersetzung des Vermögens der Gesellschaft im Jahr 1981 zum damaligen Zeitpunkt einen Wert von 42.620 DM aufwies.
In den Jahren 1972 und 1973 veräußerten die Beschwerdeführerin und ihre Schwester Teilflächen (7.041 qm) der ihnen überlassenen Grundstücke zu einem Gesamtpreis von 211.566 DM. Der Veräußerungserlös wurde, wie in der Urkunde vom 22. Dezember 1971 vereinbart, der A. Brauerei als Darlehen zur Verfügung gestellt. Dieses Darlehen wurde der Beschwerdeführerin und ihrer Schwester während des Studiums in den Jahren 1973 bis 1979 in mehreren Teilbeträgen zurückgezahlt.
Im Januar 1992 verkauften die Beschwerdeführerin und ihre Schwester 1.499 qm der restlichen Grundstücksflächen zu einem Quadratmeterpreis von 500 DM. Auf die Beschwerdeführerin entfiel angesichts der hälftigen Beteiligung ihrer Schwester ein Veräußerungserlös von 374.750 DM, wovon rechnerisch die Hälfte (187.375 DM) aus dem Nachlass des Vaters stammt.
2. Die Beschwerdeführerin, Beklagte des Ausgangsverfahrens und Berufungsklägerin, wurde durch rechtskräftiges Vorbehaltsurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 23. März 2001 verurteilt, an den Kläger, ihren Bruder, 208.000 DM nebst Zinsen zu zahlen. Die Entscheidung über die Aufrechnung der Beschwerdeführerin gegenüber dem der Klage zugrunde liegenden Zahlungsanspruch des Klägers aus einem ihr im April 1994 gewährten Darlehen mit einem Pflichtteilsanspruch aus dem Erbfall von 1991 blieb vorbehalten.
Im Nachverfahren über die Aufrechnung machte die Beschwerdeführerin geltend, die im Überlassungsvertrag vom 22. Dezember 1971 enthaltene Anrechnungsklausel auf den Pflichtteil verstoße gegen § 2315 Abs. 2 Satz 2 BGB, nach dessen eindeutigem Wortlaut sich der Wert einer Zuwendung nach dem Zuwendungszeitpunkt bestimme. Die ihr im Überlassungsvertrag zugewendeten Grundstücke könnten deshalb nur mit dem Quadratmeterpreis von 22,25 DM zum Zeitpunkt der Schenkung im Jahre 1971 bewertet werden.
In einem nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 2. April 2004 eingereichten Schriftsatz vom 23. April 2004 trug die Beschwerdeführerin erstmals vor, dass sie und ihre Schwester neben der Auszahlung der Veräußerungserlöse aus den Grundstücksverkäufen von 1972/1973 bzw. der Rückzahlung der Darlehen keinerlei Unterhaltszahlungen von ihren Eltern erhalten hätten. Die B...