Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsbeschwerden
Leitsatz (amtlich)
Die Gefahrenabwehrverordnung – Gefährliche Hunde – vom 30. Juni 2000 ist sowohl hinsichtlich ihrer nicht widerlegbaren Vermutung, dass Hunde der Rassen Pit Bull Terrier, American Staffordshire Terrier und Staffordshire Bullterrier sowie deren Abkömmlinge besonders gefährlich sind, als auch hinsichtlich des daran anknüpfenden Pflichtenkatalogs (Sachkundenachweis, Kennzeichnungspflicht, Maulkorbzwang u.a.) mit der Verfassung für Rheinland-Pfalz vereinbar.
Tenor
Die Verfassungsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Tatbestand
A.
Die Antragsteller wenden sich dagegen, dass alle Hunde der Rassen Pit Bull Terrier, American Staffordshire Terrier und Staffordshire Bullterrier sowie Hunde, die von einer dieser Rassen abstammen, ohne eine Prüfung im Einzelfall als gefährliche Hunde bezeichnet werden und damit den Regelungen der Gefahrenabwehrverordnung – Gefährliche Hunde – unterfallen.
I.
Die „Gefahrenabwehrverordnung – Gefährliche Hunde -” (GefAbwV) wurde von dem Ministerium des Innern und für Sport und (hinsichtlich der Aufgabenübertragung auf die Landestierärztekammer) dem Ministerium für Umwelt und Forsten am 30. Juni 2000 erlassen (GVBl. S. 247). Die Verordnung hat – soweit hier von Bedeutung – folgenden Inhalt:
§ 1 bestimmt ihren Anwendungsbereich, wobei Absatz 1 in Übereinstimmung mit der Gefahrenabwehrverordnung aus dem Jahr 1996 (GVBl. S. 364) eine abstrakte Beschreibung der „gefährlichen Hunde”, der neu eingefügte Absatz 2 hingegen eine rassebezogene Definition enthält. Die Vorschrift lautet wörtlich:
(1) Als gefährliche Hunde im Sinne dieser Verordnung gelten:
- Hunde, die sich als bissig erwiesen haben,
- Hunde, die durch ihr Verhalten gezeigt haben, dass sie Wild oder Vieh hetzen oder reißen,
- Hunde, die in aggressiver oder Gefahr drohender Weise Menschen angesprungen haben, und
- Hunde, die eine über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft, Angriffslust, Schärfe oder andere in ihrer Wirkung vergleichbare Eigenschaft entwickelt haben.
(2) Hunde der Rassen Pit Bull Terrier, American Staffordshire Terrier und Staffordshire Bullterrier sowie Hunde, die von einer dieser Rassen abstammen, sind gefährliche Hunde im Sinne des Absatzes 1. § 2 Abs. 1 GefAbwV verbietet die Zucht, die Vermehrung und den Handel mit gefährlichen Hunden. Aufgrund der Übergangsbestimmung des § 10 Abs. 1 sind jedoch die Zucht und der Handel mit dem bei In-Kraft-Treten der Verordnung vorhandenen Bestand an gefährlichen Hunden zulässig, wenn dieser binnen zwei Monaten der Behörde angezeigt wird. Nach § 2 Abs. 2 soll die örtliche Ordnungsbehörde die Unfruchtbarmachung eines gefährlichen Hundes anordnen, wenn die Gefahr der Heranbildung gefährlicher Nachkommen besteht. § 3 Abs. 1 sieht eine Erlaubnispflicht für das Halten gefährlicher Hunde vor. Das Erteilen der Erlaubnis wird von dem Bestehen eines berechtigten Interesses, dem Nachweis der zur Haltung eines gefährlichen Hundes erforderlichen Sachkunde sowie dem Fehlen von Zuverlässigkeitszweifeln abhängig gemacht. Personen, die beim In-Kraft- Treten der Verordnung einen gefährlichen Hund halten, unterliegen nach der Übergangsbestimmung des § 10 Abs. 2 Satz 1 GefAbwV keiner Erlaubnis-, sondern lediglich einer Anzeigepflicht. Die Behörde wird allerdings ermächtigt, die Haltung zu untersagen, wenn Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit des Hundehalters vorliegen oder die erforderliche Sachkunde nicht binnen vier Monaten nachgewiesen wird. § 4 Abs. 1 Satz 1 GefAbwV enthält die Verpflichtung, gefährliche Hunde durch einen elektronisch lesbaren Chip zu kennzeichnen. Schließlich stellt § 5 GefAbwV einzelne Anforderungen an das Führen gefährlicher Hunde. So muss der Hundeführer 18 Jahre alt sowie körperlich geeignet und zuverlässig zur Führung eines gefährlichen Hundes sein (§ 5 Abs. 1). Eine Person darf nicht gleichzeitig mehrere gefährliche Hunde führen (§ 5 Abs. 3). Ferner gilt außerhalb des befriedeten Besitztums sowie in Gemeinschaftsanlagen von Mehrfamilienhäusern ein Anlein- und Maulkorbzwang (§ 5 Abs. 4).
II.
Mit den Verfassungsbeschwerden wenden sich die Beschwerdeführer gegen die durch § 1 Abs. 2 GefAbwV bewirkte Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf alle Hunde der dort genannten drei Rassen einschließlich ihrer Abkömmlinge und rügen die Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 17 Abs. 1 und Abs. 2 LV) sowie die unverhältnismäßige Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 1 Abs. 1 und 2 LV), der Berufsfreiheit (Art. 58 LV) und der Eigentumsgarantie (Art. 60 LV). Der Beschwerdeführer zu 4) greift darüber hinaus auch § 1 Abs. 1 Nr. 4 GefAbwV an und rügt die mangelnde Bestimmtheit dieser Norm.
Der Beschwerdeführer zu 1) ist Halter der Kreuzung eines Pit Bull Terrier und eines Bullterrier. Die Beschwerdeführer zu 2) und 3) halten acht Hunde der Rasse Staffordshire Bullterrier; der Beschwerdeführer zu 3) züchtet seit drei Jahren Hunde dieser Rasse. Der Beschwerdeführer zu 4) ist Halter eines Hundes der Ra...