1 Leitsatz
Ein Vergemeinschaftungsbeschluss hat am 1.12.2020 seine Wirkung verloren.
2 Normenkette
§ 9a Abs. 2 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer beschließen im September 2020, dass "die der Gemeinschaft entstandenen Anwalts- und Gerichtskosten […] außergerichtlich und, falls nicht gezahlt wird, gerichtlich" gegen die Vorverwalterin B wegen eines verlorenen Rechtsstreits aus dem Jahr 2018 geltend gemacht werden sollen. B meint, der Beschluss sei bereits nicht als Vergemeinschaftungsbeschluss anzusehen. Darüber hinaus sei K auch deshalb nicht prozessführungsbefugt/aktivlegitimiert, weil ein etwaiger Vergemeinschaftungsbeschluss jedenfalls mit Ablauf des 30.11.2020 und Inkrafttreten des neuen Wohnungseigentumsgesetzes seine Wirksamkeit analog § 134 BGB verloren habe. Das AG meint, es handele sich um individuelle Ansprüche, die jeder Wohnungseigentümer im Hinblick auf den ihm entstandenen Schaden grundsätzlich allein und ohne Mitwirkung der anderen Wohnungseigentümer geltend machen könne. Eine Ausübungsbefugnis lasse sich auch nicht aus dem Beschluss ableiten. Mit Inkrafttreten des neuen Wohnungseigentumsgesetzes habe er seine Wirkung verloren.
4 Die Entscheidung
Das sieht das LG nicht anders! § 9a Abs. 2 WEG sei nicht anwendbar. Es handele sich nicht um sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebende Rechte oder solche Rechte, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erforderten. Die Prozessführungsbefugnis der K ergebe sich aber auch nicht aus dem Beschluss. Nach dem Beschlussinhalt gehe es nur um die Geltendmachung eigener (angeblicher) Schadensersatzansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, nicht aber der Wohnungseigentümer. Darüber hinaus teile die Kammer die AG-Ansicht, ein Vergemeinschaftungsbeschluss habe mit Inkrafttreten des neuen Wohnungseigentumsgesetzes seine Wirkung verloren. Die in § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG a. F. vorgesehene sogenannte gekorene Ausübungsbefugnis sei mit der Neufassung des Wohnungseigentumsgesetzes ersatzlos entfallen. Auf Beschlüsse, mit denen die Wohnungseigentümer Rechte vergemeinschaftet und der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Ausübung nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG alter Fassung zugewiesen hätten, könnten keine weiteren Maßnahmen gestützt werden.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es im Kern um die Frage, ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer individuelle Schadensersatzansprüche der Wohnungseigentümer verfolgen kann.
Hat ein Wohnungseigentümer einen Schaden erlitten, muss er diesen selbst verfolgen. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat nach § 9a Abs. 2 WEG insoweit keine Rechte. Ein Wohnungseigentümer könnte der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zwar einen Schadenersatzanspruch abtreten. Das kann man aber nicht beschließen.
Vergemeinschaftung: altes Recht
Im alten Recht konnten die Wohnungseigentümer Ansprüche, die ihnen selbst zustehen, durch Beschluss der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Ausführung zuweisen. Im Fall müssen die Wohnungseigentümer das so gewollt haben (sofern nicht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Kosten der Wohnungseigentümer sowieso getragen hatte, was in der Vergangenheit häufig der Fall war!). Der Wortlaut des Beschlusses gibt das zwar nicht her. Sein Zweck und Sinn sind aber eindeutig: Der Ex-Verwalter soll Schadensersatz für einen Vorprozess leisten. Das Auslegungsergebnis von AG und LG, die dies anders sehen, ist aber vertretbar. Meinte man, es liege eine Vergemeinschaftung vor, muss man fragen, was für diesen Beschluss seit dem 1.12.2020 gilt. Dies ist mit Ausnahme der Vergemeinschaftung bestimmter Mängelrechte gegen einen Bauträger, die auch weiterhin möglich ist, streitig. Das LG schließt sich den Stimmen an, die der Ansicht sind, ein Vergemeinschaftungsbeschluss sei nachträglich unwirksam geworden. Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers, ist aber streitig. Ein Übergangsproblem.
Vergemeinschaftung: neues Recht
Im aktuellen Recht können die Wohnungseigentümer nach § 19 Abs. 1 WEG bestimmte Mängelrechte gegen den Bauträger vergemeinschaften. Im Übrigen gibt es aber für eine Vergemeinschaftung keine Möglichkeit mehr.
Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?
Die Verwaltung muss wissen, welche Rechte und Pflichten von ihr nach § 9a Abs. 2 WEG für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auszuüben und wahrzunehmen sind. Ferner muss die Verwaltung wissen, welche Rechte man heutzutage noch vergemeinschaften kann.
6 Entscheidung
LG Düsseldorf, Urteil v. 19.9.2022, 25 S 1/22