Leitsatz
Auch bei überdurchschnittlich werthaltigen Nachlässen kann die sog. Neue Rheinische Tabelle als Anhalt für die angemessene Vergütung des Testamentsvollstreckers herangezogen werden.
Bemessungsgrundlage für die Regelvergütung des Testamentsvollstreckers unter Berücksichtigung der Neuen Rheinischen Tabelle ist der Bruttonachlasswert, wenn die Vollstreckertätigkeit auch die Schuldenregulierung erfasst. Hierbei ist die Befassung mit Vorausempfängen im Rahmen von Zuschlägen bei der rechnerischen Bestimmung der einheitlichen Vergütung zu berücksichtigen.
Eine Verwirkung des Vergütungsanspruchs kommt nur bei schwerwiegenden vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verstößen des Testamentsvollstreckers gegen seine Amtspflicht in Betracht.
Sachverhalt
Der Kläger begehrt festgestellt, dass er berechtigt sei, aus dem Nachlass einen Betrag von 231.000,00 EUR als Testamentsvollstreckervergütung zu entnehmen. Die beklagte Miterbin tritt dem entgegen; nach ihrer Auffassung sind die Ansätze des Klägers wesentlich zu hoch und zudem habe er seinen Vergütungsanspruch wegen diverser Pflichtverletzungen verwirkt. Gegen das teilweise stattgebende Urteil des LG legten beide Parteien Berufung ein. Allein die des Klägers hat teilweise Erfolg.
Entscheidung
Der Kläger hat Anspruch auf eine angemessene Vergütung nach § 2221 BGB i.H.v. 112.647,35 EUR. Die Höhe der angemessenen Vergütung nach § 2221 BGB richtet sich nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen, wonach maßgebend der Pflichtenkreis, der Umfang seiner Verantwortung und die von ihm geleistete Arbeit, wobei die Schwierigkeit der gelösten Aufgaben, die Dauer der Abwicklung oder Verwaltung, die Verwertung besonderer Kenntnisse und Erfahrungen wie auch die Bewährung einer sich im Erfolg auswirkenden Geschicklichkeit zu berücksichtigen sind. Dabei ist die Berechnung der Vergütung nach Bruchteilen des Nachlasswertes möglich und dem Grundsatz der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens förderlich. Eine Angemessenheitsprüfung im Einzelfall ist jedoch unerlässlich. Die vom Kläger verwandte Rheinische Tabelle führt hier zu einem angemessenen Ergebnis.
Bemessungsgrundlage für die Regelvergütung des Testamentsvollstreckers ist der Wert des Nachlasses. Soweit der Pflichtenkreis auch die Schuldenregulierung mitumfasst, ist vom Bruttonachlasswert auszugehen; ein Schuldenabzug findet in diesen Fällen nicht statt. Somit ist von einem Bruttonachlasswert von 3.220.808,90 EUR auszugehen.
Die Vorempfänge der Erben sind dagegen nicht dem Bruttonachlasswert hinzuzuaddieren. Diese können allein Zuschläge begründen, wozu die Neue Rheinische Tabelle auch genügend Spielraum eröffnet. Die Zugrundelegung anderer Tabellen ist abzulehnen.
Nach der Neuen Rheinischen Tabelle erhält der Kläger zunächst einen Vergütungsgrundbetrag i.H.v. 2 % des Bruttonachlasswertes, d.h. 64.416,00 EUR.
Die Neue Rheinische Tabelle geht im "Normalfall" von einem Nachlasswert von 241.000 EUR aus und setzt die Grundvergütung hierbei auf 4 % fest. Bei der Bearbeitung eines 13mal höheren Nachlasses fällt nun nicht zwingend die 13fache Arbeitszeit an. Dennoch ist erheblich mehr zu tun, als im "Normalfall", zumal auch die Verantwortung und oft auch die Anforderungen an das Verhandlungs- und Organisationsgeschick ansteigen. Da sich diese Anforderungen ersichtlich aber nicht proportional zum Wert vermehren, ist es einerseits berechtigt, bei einem höheren Nachlasswert für einen geringeren Prozentsatz zu arbeiten; andererseits darf dieser Prozentsatz auch nicht zu stark sinken. Daher sind bei einem Nachlass von 3,2 Mio. EUR auch 2 % als Ausgangswert nicht zu beanstanden. Dieser Betrag ist allein bei einer Nacherbenvollstreckung oder bloß beaufsichtigender Vollstreckung wegen der geringen Belastung des Testamtsvollstreckers herabzusetzen. Die Mitarbeit weiterer Personen bei der Erbauseinandersetzung ist dagegen erst bei der Bestimmung der Zuschläge zu berücksichtigen.
Die nach der Neuen Rheinischen Tabelle gegebenen Zuschläge sind Teil des einheitlichen Vergütungsanspruchs des Testamentsvollstreckers nach § 2221 BGB. Eine aufwändige Grundtätigkeit rechtfertigt einen Zuschlag von 02/10 bis 10/10 (Ziff. I.1.a) der Tabelle). Aufwändiger als ein Normalfall ist ein Nachlass, wenn besondere Maßnahmen zur Ermittlung, Sichtung und Inbesitznahme des Nachlasses und zur Regelung von Nachlassverbindlichkeiten einschließlich inländischer Erbschaftsteuer erforderlich sind.
Vorliegend ist ein Zuschlag von 03/10 aufgrund der Vorempfänge und der Anrechungsbestimmungen gerechtfertigt. Großartige Besonderheiten, wie etwa gesellschaftliche Beteiligungen oder Auslandsvermögen, die einen höheren Zuschlag rechtfertigen würden, liegen nicht vor. An der Schuldenregulierung wirkten die Miterben und eine Steuerberaterin mit, die Kreditverhältnisse wurden von einem beauftragten Notar besorgt; ein weiterer Zuschlag kann hier somit auch nicht begründet werden. Ein allgemeiner Hinweis auf die Größe des Nachlasses und die damit einhergehende größere Zahl an Verbindlichkeiten ...