Leitsatz
Besteht der Schaden des Auftraggebers in vermeidbaren Umsatzsteuern infolge fehlerhafter Selbstveranlagung, beginnt die Verjährung des Ersatzanspruchs gegen den mitwirkenden Steuerberater mit der Einreichung der Steueranmeldung beim Finanzamt.
Sachverhalt
Der als Kieferorthopäde niedergelassene Kläger wurde von dem Beklagten langjährig steuerlich beraten. Der Beklagte fertigte für ihn unter anderem Umsatzsteuererklärungen, in denen er Entgelte aus der Überlassung kieferorthopädischer Hilfsmittel an Patienten unrichtigerweise als steuerpflichtig behandelte. Der Kläger meint, der Beklagte müsse den entstandenen Schaden, auch unter dem Gesichtspunkt unterlassener Hinweise, ersetzen. Der Beklagte hat sich dagegen auf Verjährung berufen. Der BGH hob die verurteilende Entscheidung der Vorinstanz auf und wies die Klage ab.
Entscheidung
Der Unternehmer hat die Umsatzsteuer jährlich anzumelden. Die Anmeldung steht gemäß § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Regelmäßig beginnt die Verjährung des vertraglichen Ersatzanspruchs gegen den Steuerberater mit der Bekanntgabe eines schadensbegründenden Steuerbescheids; auf die Unanfechtbarkeit des Bescheids kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Besteht der Schaden des Auftraggebers in vermeidbarer Umsatzsteuer infolge fehlerhafter Selbstveranlagung, entspricht diesem Zeitpunkt die Einreichung der Umsatzsteueranmeldung beim Finanzamt. Damit ist bereits 1997 umfassend Verjährung eingetreten, da die letzte streitgegenständliche Jahreserklärung für 1992 Ende Februar 1994 beim Finanzamt vorgelegt worden ist und die zu beachtende Verjährungsfrist drei Jahre beträgt. Ein direkter Schadensersatzanspruch war damit nicht mehr gegeben.
Der BGH verneint auch einen Sekundäranspruch gegen den Beklagten. Der Sekundäranspruch setzt eine neue schuldhafte Pflichtverletzung des Steuerberaters voraus. Er kann nur entstehen, wenn die weitere Pflichtwidrigkeit zu einer Zeit begangen wird, zu welcher der primäre Regressanspruch noch durchgesetzt werden kann, also insbesondere noch nicht verjährt ist. Vor Ablauf der Primärverjährung hatte der Beklagte aber keinen Anlass, seine umsatzsteuerliche Beurteilung der Lieferung kieferorthopädischer Hilfsmittel an Patienten des Klägers zu überprüfen. Der unstreitige Rechtsirrtum des Beklagten wirkte jährlich in den abgegebenen Umsatzsteuererklärungen fort. Diese Erklärungspraxis löste weitere Schäden und damit Primäransprüche des Klägers erst aus. Neue Anhaltspunkte dafür, dass die Umsatzsteuererklärungen des Klägers künftig anders abzufassen waren, hatte der Beklagte vor Eintritt der letzten Primärverjährung im Februar 1997 nicht.
Praxishinweis
Der Beklagte hätte sich nur dann nicht auf den Verjährungseintritt berufen dürfen, wenn er rechtsmissbräuchlich gehandelt hätte. Dies wäre dann der Fall gewesen, wenn er den Kläger in treuwidriger Weise von der rechtzeitigen Klagerhebung abgehalten hätte. Das Verhalten des Schuldners muss in derartigen Fällen dafür ursächlich geworden sein, dass der Gläubiger die Verjährungsfrist nicht vor ihrem Ablauf unterbrochen hat. Hierfür fand der BGH keine Anhaltspunkte.
Link zur Entscheidung
BGH-Urteil vom 14.7.2005, IX ZR 284/01