Leitsatz
Der Vermieter einer Wohnung verstößt nicht gegen seine Verkehrssicherungspflicht, wenn er die mit einem Glasausschnitt versehenen Zimmertüren der Wohnung, die insoweit den baurechtlichen Vorschriften entsprechen, bei einer Vermietung an eine Familie mit Kleinkindern nicht mit Sicherheitsglas nachrüsten lässt (amtlicher Leitsatz des BGH).
Normenkette
BGB § 535
Kommentar
Der Vermieter hatte eine Wohnung an eine Familie mit Kleinkindern vermietet. Einige der Wohnungsinnentüren bestanden aus einem Holzrahmen mit einem Glaseinsatz. Der Glaseinsatz endete 40 cm über dem Fußboden; er bestand nicht aus Sicherheitsglas, sondern aus gewöhnlichem Glas. Die zum Unfallzeitpunkt zweijährige Tochter der Mieter fiel beim Spielen gegen die Tür. Das Glas zerbrach, das Kind wurde durch einen Glasplitter am Auge schwer verletzt. Es war zu entscheiden, ob der Vermieter für den Schaden einstehen muss.
Dies wird vom BGH verneint. Als Grundlage der Haftung kam eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Betracht. Hiervon kann ausgegangen werden, wenn die Ausstattung oder Beschaffenheit einer Wohnung den Vorschriften des öffentlichen Baurechts widerspricht. In Anwendung dieses Grundsatzes hat der BGH entschieden, dass der Vermieter wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht haftet, wenn die Fenster eines Treppenhauses nicht mit Sicherheitsglas ausgestattet sind und ein Bewohner einen Schaden erleidet, weil er auf der Treppe stürzt und durch das zersplitternde Glas verletzt wird (Urteil v. 31.5.1994, VI ZR 233/93). Die Verwendung von Wohnungsinnentüren mit Glaseinsatz ist baurechtlich erlaubt; nach den insoweit maßgeblichen Bauvorschriften müssen solche Türen auch nicht mit Sicherheitsglas ausgerüstet werden.
Hinweis
Bei dieser Rechtslage kommt es maßgeblich darauf an, ob für den Vermieter eine Nachrüstpflicht entsteht, wenn eine solche Wohnung an eine Familie mit Kleinkindern vermietet wird. Der BGH unterscheidet:
1. Es sind diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, "die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter … Wohnungsvermieter für ausreichend halten darf, um andere Personen … vor Schaden zu bewahren und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind".
2. Dagegen sind keine besonderen Schutzmaßnahmen erforderlich, wenn ein Schadensfall "nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten" ist.
Der BGH ordnet den zu entscheidenden Sachverhalt der letztgenannten Fallgruppe zu. Es sei Sache der Eltern, für kindgerechte Sicherungsmaßnahmen zu sorgen (Einbau von Sicherheitsglas, Schutzgitter, Steckdosensicherung, Kantenschutz usw.) oder von der Anmietung einer nicht kindgerecht ausgestatteten Wohnung abzusehen.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 16.05.2006, VI ZR 189/05, NZM 2006, 578