Leitsatz
Durch die Verlängerung der Verjährungsfrist verletzt der Versicherungsnehmer seine Obliegenheit nach § 5 Nr. 3 AHB, den Versicherer bei der Abwehr des Schadens zu unterstützen. Der Obliegenheitsverletzung fehlt jedoch die Relevanz, wenn die Verlängerung der Verjährungsfrist vernünftig war, weil der Gläubiger dadurch dazu bewogen werden konnte, die zur Wahrung der kurzen Verjährung im Baubereich angekündigte Klage nicht zu erheben, und weil eine Verhandlungslösung nach ausstehender sachverständiger Ursachenklärung der Mängel erreichbar schien.
Normenkette
§ 5 Nr. 3 AHB und § 5 Nr. 4 AHB
Sachverhalt
Im April und Mai 1993 lieferte die Kl. an eine Fa. B Fassadenplatten, mit welchen die Fa. B im Auftrag der Stadt F das Gebäude der Berufsschule verkleidete. Nachdem die Stadt F Wölbungserscheinungen der Platten an der Nordfassade gerügt hatte, nahm der Sachverständige A die Schäden am 5.11.1993 sowie am 18.3.1994 im Auftrag der Bekl. in Augenschein. Wenige Tage nach dem Ortstermin sagte die Kl. der Fa. B unter dem 18.11.1993 zu, dass sie aufgrund der Gewährleistungsansprüche "auf die Einrede der Verjährung so lange verzichten werde, bis die Mängel behoben sind". Im Anschluss an das unter dem 4.7.1994 gefertigte Gutachten des Sachverständigen A äußerte die Bekl., die Kl. sei nicht für den Schaden verantwortlich, die Fa. B habe es versäumt, erkennbar fehlerhafte Platten auszusortieren und diese ungeachtet des Mangels angebracht. Auf diesem Standpunkt beharrte die Bekl. trotz zwischenzeitlicher Demonstrationen der Fa. B und der Kl. Die Fa. B drängte die Kl. zur Mängelbeseitigung, weil sie ihrerseits von der Stadt F auf Sanierung in Anspruch genommen werde, u. a. mit dem - zutreffenden - Hinweis, im Laufe des Jahres 1994 hätten sich auch starke Wölbungen auf der Südseite des Gebäudes gezeigt. Die Bekl. versagte Versicherungsschutz nunmehr mit Schreiben vom 3.1.1996, 29.02.1996 und 9.4.1996 mit der Begründung, wegen des von der Kl. erklärten Verzichts auf die Einrede der Verjährung leistungsfrei geworden zu sein.
Entscheidung
Das OLG verweist zunächst darauf, dass der Kl. entgegen der - allerdings nicht näher begründeten - Annahme des LG Haftpflichtversicherungsschutz außerhalb der Produkthaftung nicht zustehe. Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus der Allgemeinen Haftpflichtversicherung gem. § 1 AHB seien nicht erfüllt (wird ausgeführt).
Die Produkthaftpflichtversicherung decke dagegen die hier in Rede stehenden Ansprüche aufgrund gesetzlicher Schadenersatzansprüche wegen Vermögensschäden, die aus der Herstellung oder Lieferung mangelhafter Erzeugnisse resultieren, soweit es um Aufwendungen Dritter für Beseitigung, Ausbau, Abnahme oder Freilegung mangelhafter Erzeugnisse und für Einbau, Anbringung, Verlegen mangelfreier Erzeugnisse gehe.
Sodann führte das OLG u. a. aus, die Kl. habe gegen ihre Obliegenheit (§ 5 Nr. 4 AHB) verstoßen, "den Versicherer bei der Abwehr des Schadens … zu unterstützen". Die Kl. habe die Ansprüche der Fa. B bereits im Oktober 1993 der Bekl. gemeldet und damit die Sache deren Entscheidungskompetenz überantwortet. Die Kl. habe der Bekl. keine Abwehrmöglichkeiten nehmen dürfen, zu denen auch die Einrede der Verjährung zähle.
Dieser Obliegenheitsverstoß führe aber mangels Relevanz nicht zur Leistungsfreiheit. Gewährleistungsansprüche der Fa. B seien nämlich, als die Kl. ihren Verzicht auf die Einrede der Verjährung erklärt habe, noch nicht verjährt gewesen. Das gelte selbst dann, wenn die sechsmonatige kaufrechtliche Verjährung Platz greifen würde. Denn die Kl. habe eine Sachgesamtheit - die Fassadenplatten für die Berufsschule - zu liefern gehabt. Die den Verjährungslauf in Gang setzende "Ablieferung" (§ 477 BGB) liege dann nicht schon in jeder der einzelnen Teillieferungen, sondern die Verjährung beginne erst mit der letzten Lieferung, und die sei nach eigenem Vorbringen der Bekl. erst am 24.05.1993 erfolgt gewesen, also weniger als sechs Monate vor der Erklärung der Kl. vom 18.11.1993. Tatsächlich habe die Lieferung der Platten an die Fa. B entgegen der Auffassung der Bekl. nicht der kurzen Verjährung des Kaufrechts, sondern der fünfjährigen Verjährung des Werkvertrags (§ 651 BGB, § 638 BGB) unterlegen. Die gelieferten Fassadenplatten seien speziell für das Bauwerk Berufsschule K produziert worden, es handele sich um nicht vertretbare Sachen i. S. d. § 651 Abs. 1 BGB (wird ausgeführt).
Vor diesem Hintergrund habe sich die Kl. in einer Weise verhalten, für die ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufzubringen vermöge. Ihr falle nur ein geringfügiges Verschulden zur Last. Es habe der Kl. durchaus sachgerecht erscheinen dürfen, die Fa. B der Notwendigkeit zu entheben, zur Vermeidung von Rechtsverlusten ggf. gerichtliche Maßnahmen ergreifen zu müssen, solange Verhandlungslösungen erreichbar erschienen und die Entschließungen der Fa. B ihrerseits davon abhingen, wie die Bauherrin - die Stadt F - vorging. Angesichts der damaligen Lage - der gänzlich ungeklärten Ursache der Mängel, zu deren A...