Leitsatz

1. Die Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m und Teil B Buchst. b der 6. EG-RL stehen einer nationalen Regelung entgegen, die die Zurverfügungstellung von Räumen und anderen Anlagen sowie die Überlassung von Geräten oder anderen Einrichtungen für die Ausübung von Sport und die Körperertüchtigung einschließlich der von Einrichtungen mit Gewinnstreben erbrachten Dienstleistungen allgemein von der Umsatzsteuer befreit.

2. Art. 17 Abs. 1 und 2 i.V.m. den Art. 2, 6 Abs. 1 und 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-RL ist so klar, genau und unbedingt, dass sich ein Einzelner gegenüber einem Mitgliedstaat vor einem innerstaatlichen Gericht darauf berufen kann.

3. Die Durchführung einer nicht in Art. 13 der 6. EG-RL vorgesehenen allgemeinen Befreiung von der Umsatzsteuer für die Zurverfügungstellung von Räumen und anderen Anlagen und für die Überlassung von Geräten und anderen Einrichtungen für die Ausübung von Sport und die Körperertüchtigung stellt eine qualifizierte Verletzung des Gemeinschaftsrechts dar, die die Haftung des Mitgliedstaates begründen kann.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG , § 15 Abs. 1, 2 UStG , Art. 13 Teile A und B EG-RL , Art. 17 Abs. 1, 2 der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

In dem von einem schwedischen Gericht an den EuGH vorgelegten Fall verklagt ein Golfplatzunternehmen aus Schweden den schwedischen Staat auf Schadenersatz. Ausgangspunkt des Streits ist die Nichtumsetzung der durch die 6. EG-RL vorgegebenen Befreiungstatbestände durch das Königreich Schweden bereits mit Beitritt zur Europäischen Union im Jahre 1995. Stattdessen behielt Schweden eine gegen EU-Recht verstoßende Befreiungsnorm bis zum 31.12.1996 bei und befreite zwingend die Tätigkeit des Golfplatzunternehmens von der Umsatzsteuer. Konsequenterweise konnte das Golfplatzunternehmen für 1995 und 1996 auch keinen Vorsteuerabzug geltend machen. Hieraus leitet das Golfplatzunternehmen seinen Schadenersatzanspruch ab, der neben den entgangenen Vorsteuern auch Zinsen beinhaltete.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des Gerichts verstößt eine gesetzliche Regelung, wonach die Zurverfügungstellung von Räumen und die Überlassung von Geräten für die Ausübung von Sport generell von der Umsatzsteuer befreit, gegen EU-Recht. Dieser Verstoß berechtigt zum einen den Unternehmer, sich unmittelbar auf das für ihn günstigere EU-Recht berufen zu können. Art. 17 Abs. 1 und 2 der 6. EG-RL begründet einen solchen Anspruch. Gleichzeitig führt die Verletzung durch den schwedischen Staat zu einem qualifizierten Verstoß und damit zu einem Haftungsanspruch des Unternehmers.

 

Hinweis

Das Recht der 6. EG-RL bestimmt immer mehr den Anwendungsbereich des deutschen Umsatzsteuerrechts. Immer häufiger stellt sich die Frage, ob der nationale Gesetzgeber die Bestimmungen der 6. EG-RL zutreffend umgesetzt hat. Die fast 10-jährige gesetzlose Zeit der Eigenverbrauchsbesteuerung, die mit der nationalen Regelung im § 1 Abs. 1 Nr. 2 UStG a.F. nicht den Vorgaben der Art. 5 Abs. 6 und 6 Abs. 2 der 6. EG-RL entsprach, ist hier nur ein Beispiel. Nahezu unbestritten ist mittlerweile, dass der Unternehmer sich direkt und unmittelbar auf die für ihn günstigen Bestimmungen der 6. EG-RL gegenüber nationalen Gerichten berufen kann, wenn die EG-Norm nur hinreichend klar, genau und unbedingt ist. Für den Bereich des Vorsteuerabzugsrechts (Art. 17 Abs. 1 und 2 der 6. EG-RL) wie auch für die Befreiungstatbestände (Art. 13 der 6. EG-RL) hat der EuGH diese Wirkung bereits mehrfach festgestellt und dies im vorliegenden Urteil nochmals bestätigt.

Wenig Beachtung hat indes die weitere Fragestellung gefunden, welche Rechtsfolgen sich aus einem Verstoß des nationalen Gesetzgebers – außer dass der Unternehmer sich direkt auf die für ihn günstigere EG-Norm berufen kann – noch auslöst. Im vorliegenden Fall hat der Unternehmer den Staat auf Schadenersatz in Haftung genommen. Hierzu führt der EuGH nunmehr aus, dass bereits die bloße Verletzung des Gemeinschaftsrechts genügt, um einen hinreichend qualifizierten Verstoß zu begründen, der seinerseits wiederum Bedingung für einen Haftungsanspruch ist.

Zwar betrifft die im ersten Leitsatz geregelte Rechtsfrage nicht das deutsche Recht. Interessant wird die Frage jedoch hinsichtlich des versagten Vorsteuerabzugs aus Reisekosten und der Vorsteuerhalbierung für den Betriebs-Pkw. Hinsichtlich der Vorsteuerrestriktion bei den Reisekosten hat der BFH soeben die EU-Rechtswidrigkeit festgestellt, bei der Vorsteuerhalbierung Pkw hat der BFH dem EuGH die Frage zur Entscheidung vorgelegt. Da sowohl § 15 Abs. 1a Nr. 2 als auch § 15 Abs. 1b UStG zu einem Vorsteuerverlust seit 1.4.1999 beim Unternehmer geführt hat, stellt sich auch hier die Frage nach einer möglichen staatlichen Haftung, zumindest in Form eines Zinsverlusts.

Bei den Reisekosten kann sich darüber hinaus ein Anspruch auf entfallenen Vorsteuerabzug ergeben, wenn z.B. im Vertrauen auf die deutsche Rechtslage auf entsprechende Steuerausweise bei Reisekostenrechnungen nicht geachtet worden ist. Es bleibt abzuwarten, wie die Verwa...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge