Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Im Gemeinschaftseigentum stehende Räume (hier: Kellerräume) können auch über Mehrheitsbeschluss vermietet werden, soweit dem nicht eine Vereinbarung entgegensteht und den Eigentümern im Einzelfall kein Nachteil erwächst.
Normenkette
§ 13 WEG, § 14 WEG, § 15 Abs. 2 WEG, § 16 WEG, § 21 WEG, § 745 BGB
Kommentar
1. Das vorlegende BayObLG hat die Gültigkeit eines solchen angefochtenen Vermietungs-Mehrheitsbeschlusses der Eigentümer bestätigt (NZM 2000, 41 = NJW-RR 2000, 154 = WM 2000, 147), musste allerdings aufgrund der entgegenstehenden Entscheidung des OLG Zweibrücken (NJW-RR 1986, 1338) den Streit zur endgültigen Entscheidung dem BGH vorlegen. Der BGH hat nunmehr im Sinne der Vorlage und Meinung des BayObLG entschieden.
Es ging hier um die Gültigkeit eines Mehrheitsbeschlusses, dass "die vermieteten Kellerräume wie gehabt weiterhin von den Eigentümern bzw. Mietern gemietet werden können."
2. Eigentümer konnten diese Mehrheitsentscheidung treffen, da im vorliegenden Fall eine dem entgegenstehende Vereinbarung nicht existierte. Der Beschluss entsprach auch den Grundsätzen des ordnungsgemäßen Gebrauchs im Sinne des § 15 Abs. 2 WEG.Nachteile im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG waren ebenfalls nicht erkennbar. Ein Einstimmigkeits-Gebot im Sinne der Entscheidung des OLG Zweibrücken aufgrund von dortiger Seite angenommener Einschränkung des Mitgebrauchs aller Eigentümer am Gemeinschaftseigentum ist nicht anzunehmen.
Es handelt sich bei diesem Mehrheitsbeschluss um eine Gebrauchsregelung des Gemeinschaftseigentums im Sinne des § 15 Abs. 2 WEG. Soweit in der Literatur auch in einer solchen Gebrauchsregelung eine Maßnahme "der Verwaltung" gesehen wird, wird dem Umstand nicht genügend Rechnung getragen, dass die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nach den §§ 20 ff. WEG grundsätzlich nicht den Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums, der in den §§ 13ff. WEG geregelt ist, betrifft. § 21 WEG weicht insoweit von § 745 Abs. 1 und Satz 2 BGB ab, der auch die Nutzung erfasst. Wenn auch das WEG diese Unterscheidung nicht immer konsequent durchführt, so ergibt sich doch aus dem Nebeneinander der §§ 13ff. WEG und §§ 20ff. WEG, dass für Gebrauchsregelungen § 15 WEG die speziellere Vorschrift ist (vgl. auch BayObLG, NJW-RR 92, 599).
Der vorliegende Gebrauchsregelungs-Beschluss entzieht auch nicht den Eigentümern das Recht zum Mitgebrauch (a.A. Merle, WE 89,20), sondern setzt es weiterhin voraus (Weitnauer, WE 89, 42); er regelt nur die Art und Weise der Ausübung, indem er die Möglichkeit des unmittelbaren (Eigen-)Gebrauchs durch die des mittelbaren (Fremd-) Gebrauchs ersetzt und an die Stelle des unmittelbaren Gebrauchs den Anteil an den Mieteinnahmen treten lässt ( § 13 Abs. 2 Satz 2 WEG, § 16 Abs. 1 WEG).
Vorliegend ging es inhaltlich auch um einen ordnungsgemäßen Gebrauch, weshalb einfache Beschlussmehrheit ausreichend war. "Ordnungsgemäßheit" richtet sich nach der Verkehrsanschauung und bietet einen gewissen Ermessensspielraum; auf jeden Fall ist ein Gebrauch ordnungsgemäß, der in § 14 WEG gestattet und der nicht gegen gesetzliche Vorschriften verstößt. Einzelheiten sind im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung der Beschaffenheit und Zweckbestimmung des gemeinschaftlichen Eigentums bei Beachtung des Gebots allgemeiner Rücksichtnahme in Abwägung der allseitigen Interessen zu ermitteln.
Die Vermietung der Kellerräume im vorliegenden Fall begründet keinen Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG; § 13 Abs. 2 WEG gewährt nämlich kein Recht zum Eigengebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums, sondern bestimmt nur das Maß der Mitbenutzung bei geregelter Benutzungsart (vgl. auch Zipperer, WE 914, 142, 143). Es müssen also besondere Umstände vorliegen, um die Vermietung im Gemeinschaftseigentum stehender Räume als nachteilig erscheinen zu lassen (vorliegend rechtsfehlerfrei vom LG als Tatsachengericht verneint).
Link zur Entscheidung
( BGH, Beschluss vom 29.06.2000, V ZB 46/99= NZM 20/,2000, 101)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Mit dieser Entscheidung kann wohl eine in der Fachliteratur und Rechtsprechung heftig umstrittene Frage nunmehr als geklärt angesehen werden; gefordert sind hier im Streitfall die Tatsacheninstanzgerichte in der Beurteilung des jeweiligen Einzelfalls und der Auslegung diverser unbestimmter Rechtsbegriffe ("ordnungsgemäßer Gebrauch", "Nachteil", "Zweckbestimmung", "Rücksichtnahme"). Allerdings frage ich mich nunmehr, warum der BGH in seiner so bedeutsamen, wenige Wochen später getroffenen Grundsatzentscheidung vom 20.09.2000, Az.. V ZB 58/99 (vgl. ETW, Gruppe 2, Ergänzungsheft 6/2000) die Frage der Begründung von "Sondernutzungsrechten" offensichtlich aus diesem Regelungsbereich des § 15 WEG (m.E. nach wie vor auch die gesetzliche Grundlage für selbst nachträglich in verdinglichter Form begründete Sondernutzungsrechte) herausgenommen und wohl ausschließlich den über Vereinbarungen nach § 10 Abs. 1 und 2 WEG zugeordnet hat.