Tobias Böing, Jochem Schausten
Rz. 27
Derjenige Ehegatte, der in der Ehewohnung wohnen bleibt, erspart Mietaufwendungen. Dieser Ersparnis wird unterhaltsrechtlich durch den Ansatz eines Wohnwertes Rechnung getragen. Der Wohnwert wird dem Einkommen des in der Wohnung verbliebenen Ehegatten fiktiv hinzugerechnet und führt damit zu einer höheren Leistungsfähigkeit beim Verpflichteten bzw. zu einem geringeren Bedarf des Berechtigten. Während des Trennungsjahres bemisst sich die Höhe des Wohnwertes nach den Aufwendungen, die für eine für den Wohnen gebliebenen angemessene Wohnung (also meist eine kleinere als die Ehewohnung) aufgebracht werden müssten (sogenannter subjektiver Wohnwert). Nach Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens bzw. nach endgültiger Regelung der vermögensrechtlichen Folgen der Ehe oder nach dreijähriger Trennung wird der tatsächliche Kaltmietwert der vormaligen Ehewohnung einkommenserhöhend angesetzt (sogenannter objektiver Wohnwert).
Eine Nutzungsvergütung kann nicht mehr verlangt werden, soweit der Nutzungswert bereits bei der Bemessung des Ehegattenunterhalts berücksichtigt worden ist. In dem anzusetzenden Wohnwert sind jedoch nicht auch die verbrauchsabhängigen und umlagefähigen Nebenkosten enthalten, weswegen dem ausgezogenen Alleineigentümer ein Anspruch auf Erstattung der von ihm getragenen umlagefähigen Nebenkosten aus § 1361b Abs. 3 BGB analog zusteht.
Rz. 28
Soweit also die mietfreie Wohnungsnutzung bereits bei der Unterhaltsbemessung berücksichtigt wurde, kann der weichende Ehegatte kein isoliertes Nutzungsentgelt mehr verlangen.
"Es ist rechtlich aber auch nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter bei der Entscheidung, inwieweit eine Neuregelung der Verwaltung und Benutzung gerechtfertigt ist, die zwischen den Teilhabern rechtskräftig getroffene Unterhaltsregelung berücksichtigt, die den gleichen Zeitraum betrifft und bei der die Gebrauchsvorteile, die der eine von ihnen durch das weitere Wohnen in dem ihnen gemeinschaftlich gehörenden Hause hat, als Einkommen angemessen bewertet worden sind. Die Beibehaltung dieser Regelung während der Trennungszeit entspricht billigem Ermessen umso mehr, als in der Regel davon ausgegangen werden kann, dass das, was der ausgezogene Teilhaber bei einer Neuregelung als Nutzungsentgelt erhielte, seinen ungedeckten Unterhaltsbedarf und damit seinen Unterhaltsanspruch entsprechend mindern würde."
Dies wird deshalb so gehandhabt, weil die Berücksichtigung des mietfreien Wohnens im Rahmen der unterhaltsrechtlichen Einkommensermittlung eine Neuregelung im Sinne des § 745 Abs. 2 BGB darstellt, die auf die durch die Trennung der Ehegatten eingetretene Veränderung der Verhältnisse in angemessener Weise reagiert.
Rz. 29
Wenn zwischen den Ehegatten ein Verfahren zum Ehegattenunterhalt anhängig ist, wird ein zusätzliches Verfahren auf Regelung eines Nutzungsentgeltes obsolet. Besteht bereits eine Regelung zum Unterhalt, die auch die Nutzung der Ehewohnung berücksichtigt, und vereinbaren die Ehegatten dann eine abweichende Regelung zur Lastentragung, so kann dies einen Abänderungsgrund nach § 238 bzw. § 239 FamFG darstellen. Besteht zwischen den Eheleuten keine unterhaltsrechtliche Regelung, so kann eine isolierte Nutzungsvergütung geregelt werden.
Die einkommenserhöhende Berücksichtigung eines Wohnwertvorteils für die Alleinnutzung im Kindesunterhaltsverfahren hindert einen Anspruch des weichenden gegen den alleinnutzenden Ehegatten auf Nutzungsentschädigung nicht.