Tobias Böing, Jochem Schausten
Rz. 57
Wie bereits ausgeführt ist die unterhaltsrechtliche Berücksichtigung von Verbindlichkeiten vorrangig vor der Durchführung des Gesamtschuldnerausgleichs. Hierbei handelt es sich regelmäßig um eine anderweitige Bestimmung. Diese führt im Ergebnis dazu, dass ein Gesamtschuldnerausgleich nicht stattfindet, wenn eine Vereinbarung zum Ehegattenunterhalt getroffen wurde oder eine gerichtliche Entscheidung besteht, bei der die Verbindlichkeiten berücksichtigt wurden.
Ist die Gesamtschuld hingegen allein bei der Bemessung des Kindesunterhaltes berücksichtigt worden, liegt darin regelmäßig keine anderweitige Bestimmung, die Ausgleichsansprüche nach § 426 BGB ausschließt.
Rz. 58
Dies ist anders zu beurteilen, wenn wegen Leistungsunfähigkeit (und damit einer nicht bestehenden Unterhaltspflicht) des Unterhaltsschuldners eine Berücksichtigung der Schuldenabtragung im Rahmen des Unterhalts nicht stattfinden konnte oder der Unterhaltsanspruch verwirkt ist. Dies ist ferner auch dann anders zu beurteilen, wenn in einem Vergleich zum Unterhalt gerade die Frage der Tragung gemeinsamer Lasten bewusst nicht berücksichtigt wurde.
Ein streitig geführtes Unterhaltsverfahren kann nur dann die Grundlage einer anderweitigen Bestimmung der Innenhaftung sein, wenn das Verfahren zu einer abschließenden Entscheidung durch Urteil bzw. durch Beschluss geführt hat. Dem genügt eine einstweilige Anordnung als vorläufige gerichtliche Maßnahme mit von vornherein beschränkter Geltungsdauer und der Möglichkeit ihrer jederzeitigen Änderung nicht.
Rz. 59
Der Unterhaltsschuldner hat grundsätzlich ein Wahlrecht, ob er die Schuldentilgung bei der Unterhaltsberechnung berücksichtigt wissen will oder ob er seinerseits einen Gesamtschuldnerausgleich vom Unterhaltsgläubiger verlangen will. Soll keine Berücksichtigung der Tilgungsbeträge bei der Unterhaltsberechnung sondern ein Gesamtschuldnerausgleich stattfinden, so ist jedoch zu beachten, dass dies für den Unterhaltsschuldner nicht unbedingt der bessere Weg ist, wie folgendes Rechenbeispiel zeigt:
Beispiel
Der allein verdienende Ehemann erzielt ein Nettoeinkommen von 3.000 EUR. Er zahlt einen gemeinsamen Kredit in Höhe von monatlich 1.000 EUR ab. Der Unterhaltsanspruch der Ehefrau beliefe sich somit auf 900 EUR ([3.000-1.000] x 45 %).
Entscheidet sich der Ehemann für die Geltendmachung des Gesamtschuldnerausgleichs, so schuldet der Ehemann rund 1.350 EUR (3.000 x 45 %). Abzüglich des von der Ehefrau geschuldeten Gesamtschuldnerausgleichs verbleibt ein Betrag von 850 EUR. Die Differenz der beiden Beträge liegt bei 50,00 EUR. Der Unterhaltspflichtige stellt sich also bei dem Weg über den Gesamtschuldnerausgleich besser, als wenn der Schuldbetrag bei der Unterhaltsberechnung nicht geltend gemacht, sondern Ausgleich zur Hälfte verlangt wird.
Bei diesem unterschiedlichen Ergebnis stellt sich die Frage, ob die anderweitige Bestimmung durch die Geltendmachung der Kreditbelastung bei der Bemessung des Unterhalts dahingehend zu verstehen ist, dass der Pflichtige gänzlich an der Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen gehindert ist und so den Verlust hinzunehmen hat oder ob er den offenen Rest, der nicht über den Unterhalt als anderweitige Bestimmung ausgeglichen ist, nachträglich geltend machen kann.
Zu bedenken ist aber daneben auch, dass wegen des Aufrechnungsverbotes bei Unterhaltsansprüchen eine Aufrechnung nicht möglich ist und der Pflichtige auch deshalb bei der Durchsetzung seines Anspruchs auf Gesamtschuldnerausgleich benachteiligt sein kann.
Rz. 60
Auch im Hinblick auf das Zusammentreffen von Unterhaltsansprüchen einerseits und Gesamtschuldnerausgleichsansprüchen andererseits kann sich die bereits unter Rn. 47 und 51 angesprochene Problematik bezüglich der rückwirkenden Geltendmachung ergeben. Der Gesamtschuldnerausgleich kann rückwirkend auch ohne Inverzugsetzung geltend gemacht werden, der Unterhaltsanspruch erst ab Inverzugsetzung. Die Rechtsprechung nimmt auch hier eine (stillschweigend) geschlossene "Nichtabrechnungsvereinbarung" an.
Empfehlung:
Auch in dieser Konstellation sollte der unterhaltsberechtigte Ehegatte frühzeitig zum Ausdruck bringen, dass er nur so lange keinen Unterhalt verlangt, wie der andere Ehegatte die Schulden tilgt.