Tobias Böing, Jochem Schausten
Rz. 229
Grundsätzlich schließt die Tatsache einer bestehenden Ehe das Entstehen gegenseitiger Schadensersatzansprüche nicht aus. Allerdings ist der Umfang der Sorgfaltspflichten gem. § 1359 BGB ermäßigt. Es kann im Einzelfall auch dazu kommen, dass sich aus der in § 1353 BGB verankerten Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme ergibt, dass der Geschädigte seinen Anspruch nur zum Teil oder ausnahmsweise auch gar nicht geltend machen kann.
Durch die Ehe ergeben sich auch Besonderheiten bei der Art der Entschädigung. Diese muss mit Rücksicht auf die ehelichen Lebensverhältnisse individuell bestimmt werden.
Während der Ehezeit gilt grundsätzlich der ermäßigte Haftungsmaßstab nach §§ 1359, 277 BGB für die sich bei der Erfüllung aus dem ehelichen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen. Eine Haftung kann nur bei grober Fahrlässigkeit in Betracht kommen. Entscheidend ist also, dass der Ehegatte die Sorgfalt hat walten lassen, die er in eigenen Angelegenheiten üblicherweise anwendet. Bei Schäden, die nach der Scheidung eintreten, wird jedoch auch für einfache Fahrlässigkeit gehaftet.
Rz. 230
Dieser Haftungsmaßstab gilt jedoch nicht, wenn ein Ehegatte als Führer eines Kraftfahrzeugs dem anderen durch schuldhaften Verstoß gegen die Vorschriften des Straßenverkehrs Schaden an seinem Eigentum zufügt. Dann hat er dem anderen Ersatz zu leisten, ohne sich auf den milderen Haftungsmaßstab des § 1359 BGB berufen zu können.
So hat der BGH beispielsweise in einem Fall, in welchem die Ehefrau den Pkw des Ehemannes schuldhaft zu Schrott gefahren und damit auch gegen die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung verstoßen hat, Folgendes entschieden:
Zitat
"Weil Ehegatten einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet sind und sich gegenseitig Schutz und Fürsorge schulden, kann der Geschädigte im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände gehalten sein, einen Ersatzanspruch nur teilweise oder gar nicht geltend zu machen. Eine solche Stillhaltepflicht kann zu bejahen sein, wenn und solange sich der schuldige Ehegatte im Rahmen seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten in einer der ehelichen Gemeinschaft angepassten Weise um einen – anderweitigen – Ausgleich des Schadens bemüht.
Eine angemessene Schadenslinderung durch den schuldigen Ehegatten berührt nicht den Bestand des Ersatzanspruchs; sie führt nur dazu, dass er sich gegen dessen Geltendmachung wenden kann.
Ob die Stillhaltepflicht des Geschädigten in gleicher Weise auch nach Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft fortbesteht, solange die während des Zusammenlebens zur Schadensbewältigung unternommenen Bemühungen fortwirken, oder ob der Ersatzanspruch sogar als erlassen gilt, wenn der Schaden auf die angestrebte andere Weise schließlich überwunden worden ist, bleibt hier unentschieden.
Jedenfalls in einem Fall, in dem die von dem haftenden Ehegatten ursprünglich im Rahmen der wirtschaftlichen Möglichkeiten unternommenen Bemühungen um einen anderweitigen Ausgleich des angerichteten Schadens nach der Trennung wieder rückgängig gemacht werden, besteht für den geschädigten Ehegatten kein Grund mehr, mit seiner Ersatzforderung weiter zurückzuhalten. Er kann sie vielmehr in gleicher Weise geltend machen, als wenn der Schuldige sich von Anfang an nicht innerhalb einer ehelichen Lebensgemeinschaft um Ausgleich anderer Art bemüht hätte."
Rz. 231
Der BGH hat allerdings auch entschieden, dass ein noch bestehender Anspruch jedoch durch die angemessene Schadenslinderung nicht geltend gemacht werden kann. Dies gilt grundsätzlich auch gleichermaßen für die Zeit nach dem Scheitern der Ehe. Es kommt also bei schuldhaften Schadenszufügungen zunächst darauf an, ob der Schaden bei der Trennung schon endgültig behoben war. Die Ersatzansprüche erlöschen, wenn der Schuldner Naturalrestitution i. S. v. § 249 BGB geleistet hat. Hat der ersatzpflichtige Ehegatte sich in einer ihm zumutbaren Weise an der Schadensbehebung beteiligt, kann der Ersatzberechtigte seinen Anspruch auch nach der Trennung nicht mehr geltend machen. Der BGH hat entschieden, wann in diesem Fall der Ersatzanspruch als erlassen gilt. Wenn der Schaden bei der Trennung noch nicht behoben war oder Wiedergutmachungsbemühungen fehlen oder sie eingestellt oder sogar rückgängig gemacht werden, kann der Geschädigte seine Ersatzansprüche ungehindert verfolgen.