Tobias Böing, Jochem Schausten
Rz. 233
§ 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB bestimmt, dass die Ehegatten einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet sind. Bei dem Recht auf eheliche Lebensgemeinschaft handelt es sich um ein absolutes Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB. Aus diesem Grunde sind Beeinträchtigungen dieses Rechts grundsätzlich geeignet, Schadensersatzansprüche zu begründen. Zu beachten ist jedoch, dass diese Schadensersatzansprüche nur in engen Grenzen bestehen.
Rz. 234
§ 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB enthält unterschiedliche Rechtsverletzungen. Es ist zwischen der Verletzung persönlicher und vermögensrechtlicher Pflichten zu unterscheiden. Während Erstere im Regelfall keinen Schadensersatzanspruch auslösen, kann die Verletzung vermögensrechtlicher Pflichten durchaus zu einem Schadensersatzanspruch führen.
Der Gesetzgeber wollte mit dem Begriff der ehelichen Lebensgemeinschaft die Ehe "als eine Partnerschaft gleichen Rechts und gleicher Pflicht mit besonderen Anforderungen auf gegenseitige Rücksichtnahme und Selbstdisziplin, auf Mitsprache und Mitentscheidung umschreiben". § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB umfasst einen Katalog von ehelichen Pflichten. Diese sind jedoch bewusst nicht festgeschrieben, da dem Gesetzgeber die Vorstellung zu Grunde lag, dass es den Ehegatten überlassen bleiben soll, ihr Leben in der ihnen gemeinsamen Lebensform zu gestalten.
9.3.1.1 Pflichtenkatalog des § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB
Rz. 235
Als Grundelemente der ehelichen Lebensgemeinschaften gelten nachfolgend genannte Pflichten:
- Das Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft und die damit zusammenhängende Gestattung der gegenseitigen Benutzung der Ehewohnung und des Hausrates.
- Die Pflicht zur Geschlechtsgemeinschaft abhängig von individuellen Voraussetzungen wie Alter, Gesundheitszustand, psychischer Disposition. Jedoch haben die Ehegatten nicht das Recht, von dem anderen die Zeugung oder den Empfang eines Kindes zu verlangen. Auch Abreden über die Familienplanung haben nach heutigem Verständnis keine Bindungswirkung mehr.
- Es gilt ferner die Konsensobliegenheit. Dies bedeutet, dass die Ehegatten einander zur Sorge um die gemeinsamen Angelegenheiten verpflichtet sind. Sie sollen Entscheidungen, die das eheliche Zusammenleben berühren, im gegenseitigen Einvernehmen treffen. Die eheliche Lebensgemeinschaft verpflichtet auch zur tatsächlichen Sorge für das aus einer anderen Verbindung stammende Kind des anderen Ehegatten, jedenfalls dann, wenn das Kind einvernehmlich in die Gemeinschaft aufgenommen wurde.
- Die Ehegatten schulden einander Beistand auch in persönlichen Angelegenheiten.
- Ferner sind die Ehegatten zur Rücksicht und Achtung der Persönlichkeit des anderen Ehegatten auch nach der Trennung verpflichtet.
- Die Ehegatten sind einander verpflichtet, ökonomische Interessen des jeweils anderen Ehegatten zu wahren. Dies beinhaltet die Verpflichtung zur Minimierung der finanziellen Lasten des anderen, soweit dies ohne Verletzung der eigenen Interessen möglich ist.
- Darüber hinaus sind die Ehegatten verpflichtet, einander Auskunft zu erteilen. Dieser Auskunftsanspruch bezieht sich insbesondere auf die Unterrichtung über Vermögensbewegungen in groben Zügen. Diese Verpflichtung aus § 1353 BGB endet jedoch mit der Trennung der Eheleute.
Rz. 236
Das besondere Rechtsverhältnis zwischen den Ehegatten verhindert nicht grundsätzlich die Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche unter Ehegatten. Es ist jedoch das aus § 1353 BGB hergeleitete Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme stets zu beachten.
9.3.1.2 Persönlicher Pflichtenkreis
Rz. 237
Dem persönlichen Pflichtenkreis zuzuordnen sind Verstöße gegen die eheliche Treuepflicht und die Kindesunterschiebung. Der klassische Fall stellt sich so dar, dass die Ehefrau ihrem Ehemann vorspiegelt, dieser sei der Vater eines in der Ehe geborenen, tatsächlich aber aus einem Ehebruch stammenden Kindes. Nach der Rechtsprechung des BGH basiert der Schadensersatzanspruch in derartigen Fällen nicht auf dem Ehebruch, vielmehr muss ein weiteres sittenwidriges schädigendes Verhalten der Ehefrau hinzutreten. Dieses kann darin liegen, dass sie Zweifel des Mannes an der Abstammung des Kindes durch unzutreffende Angaben zerstreut oder dass sie den Ehemann durch arglistige Täuschung oder auf andere Weise an der Vaterschaftsanfechtung hindert.
Der Vermögensschaden des Ehemannes kann in den Kosten eines Vaterschaftsanfechtungsverfahrens bestehen, aber insbesondere auch aus Unterhaltszahlungen des Ehemannes an das Kind in dem Glauben, er sei der Vater. Für den letzteren Fall steht dem Ehemann ein Regressanspruch gegen den leiblichen Vater zu.
Die Verletzung der Pflicht zur ehelichen Treue allein stellt nach ständiger Rechtsprechung des BGH jedoch noch kein Grund für einen deliktischen oder sonstigen Ersatzanspruch dar. Es handelt sich insbesondere beim Ehebruch um einen dem Deliktsrecht entzogenen, innerehelichen Vorgang. Ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB wird ...