OFD München, Verfügung v. 19.2.2003, S 3806 - 38 St 353
In notariellen Übergabeverträgen und Schenkungsverträgen werden – vor allem bei Grundstücksübertragungen – vielfach Pflegeverpflichtungen im Bedarfsfall vereinbart. Hierbei sind die folgenden oder ähnlichen Formulierungen gebräuchlich:
„Der Erwerber verpflichtet sich hiermit, den Berechtigten bis an sein Lebensende unentgeltlich im Bedürfnisfall zu pflegen und ihm hierbei alle Leistungen zu erbringen, die einer geordneten und standesgemäßen Pflege entsprechen. Diese Leistungen sollen jedoch nur erbracht werden, soweit sie in dem übertragenen Hausanwesen erfüllt werden können. Sofern die Pflege außer Haus erforderlich sein sollte, ruht die Leistungspflicht des Erwerbers. Es ist insoweit keine Ersatzleistung geschuldet. Kosten hat der Erwerber nur insoweit zu tragen, als solche entstehen, wenn er sich zur Erfüllung dieser Verpflichtung dritter Personen bedient.
Zur Sicherung der vorstehenden Verpflichtung bestellt der Erwerber dem Berechtigten an dem Vertragsanwesen eine Reallast.”
Die Pflegeleistung stellt schenkungsteuerlich eine Gegenleistung für die Grundstücksübertragung dar.
Da der Grundstückserwerber erst im Bedarfsfall zur Pflege des Berechtigten verpflichtet ist, liegt insoweit eine aufschiebend bedingte Last vor, die nach § 6 Abs. 1 BewG vor Eintritt der Bedingung nicht zu berücksichtigen ist. Die Pflegeverpflichtung bleibt deshalb zum Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung außer Ansatz; zur schenkungsteuerlichen Behandlung aufschiebend bedingter Leistungen BFH-Urteil vom 7.6.1989, II R 183/85 (BStBl 1989 II S. 814).
Die Pflegeleistung kann erst dann berücksichtigt werden, wenn der Pflegefall tatsächlich eingetreten ist und der Erwerber die Leistungen erbringt. Bei der Schenkungsteuer liegt ab diesem Zeitpunkt eine gemischte Schenkung vor. Die Pflegeverpflichtung wird hierbei mit ihrem Wert im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer für die Zuwendung (§ 11 ErbStG) angesetzt. Der Schenkungsteuer-Bescheid ist nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO entsprechend zu ändern (BFH-Urteil vom 7.6.1989, II R 183/85a.a.O.). Vom Eintritt des Pflegefalls kann grundsätzlich erst dann ausgegangen werden, wenn der Berechtigte pflegebedürftig im Sinne von § 15 SGB XI ist. Die Voraussetzungen für die Pflegestufe I müssen erfüllt sein. Liegen diese nicht vor, hat der Erwerber im Einzelfall in geeigneter Weise zu belegen, dass bereits Pflegeleistungen erforderlich sind und er seiner Verpflichtung nachkommt.
Die Pflegeleistungen sind mit ihrem Kapitalwert im Zeitpunkt des Eintritts des Pflegefalls zu bewerten. Dieser ist auf den Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) unter Anwendung der Tabelle l zu § 12 Abs. 3 BewG abzuzinsen.
Liegt Pflegebedürftigkeit im Sinne von § 15 SGB XI vor, kann der Jahreswert der Leistung (§ 15 BewG), soweit sich aus der vertraglichen Vereinbarung nichts anderes ergibt, mit dem Zwölffachen der in der gesetzlichen Pflegeversicherung vorgesehenen monatlichen Pauschalvergütung bei Inanspruchnahme von Pflegesachleistungen (§ 36 Abs. 3 SGB XI) angesetzt werden. Diese betragen bei
– Pflegestufe I: |
384 EUR |
(bis 31.12.2001 |
750 DM) |
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– Pflegestufe II: |
921 EUR |
(bis 31.12.2001 |
1.800 DM) |
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– Pflegestufe III: |
1.432 EUR |
(bis 31.12.2001 |
2.800 DM). |
In besonders gelagerten Einzelfällen im Sinne von § 36 Abs. 4 SGB XI ist in Pflegestufe III ein Betrag von 1.918 EUR (bis zum 31.12.2001 3.750 DM) anzusetzen. Diese Beträge sind zu kürzen, soweit
- Sachleistungen durch professionelle Pflegekräfte in Anspruch genommen werden und der Pflegende die Kosten hierfür nicht zu tragen hat oder
- die pflegebedürftige Person Pflegegeld aus der Pflegeversicherung oder einer Pauschalbeihilfe nach den Beihilfevorschriften erhält und diese zu Lebzeiten an die verpflichtete Pflegeperson weitergibt. Die Weitergabe selbst ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 9a ErbStG von der Schenkungsteuer befreit.
Wird die Pflegestufe nicht erreicht, ist der Wert der monatlichen Pflegeleistungen zu schätzen, wobei jedoch der Wert der Pflegesachleistungen nicht überschritten werden darf.
Beispiel:
Der am 5.5.1924 geborene A überträgt am 1.10.1996 ein Grundstück an B, der sich verpflichtet, A im Bedarfsfall zu pflegen. Zum Zeitpunkt der Ausführung der Grundstücksübertragung bleibt die Pflegeverpflichtung außer Ansatz. Der Pflegefall tritt am 25.6.2002 ein. A erfüllt die Voraussetzungen der Pflegestufe I.
Der Kapitalwert der Pflegeverpflichtung ist zum Zeitpunkt des Eintritts des Pflegefalls zu ermitteln. Die Berechnung erfolgt nach § 14 Abs. 1 BewG i.V.m. Anlage 9 zum BewG.
Jahreswert: |
384 EUR × 12 Monate = |
4.608 EUR |
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Kapitalwert: |
4.608 EUR × Vervielfältiger (78 Jahre) 5,198 |
23.952 EUR |
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Der errechnete Kapitalwert von 23.952 EUR (46.846 DM) ist auf den Zeitpunkt der Schenkung (1.10.1996) abzuzinsen.
Kapitalwert × Vervielfältiger laut Tabelle l zu § 12 Abs. 3 BewG (Laufzeit 5 Jahre und 265 Tage, 0,736) 46.846 DM × 0,736 = 34.479 DM.
Im Rahmen der Wertermittlung für die gemischte Schenkung wird di...