Entscheidung
Der Kläger macht als Insolvenzverwalter Ansprüche gegen einen ehemaligen Geschäftsführer einer GmbH wegen Zahlung nach Eintritt der Insolvenzreife geltend. Der Beklagte war Geschäftsführer einer Konzerntochter einer Aktiengesellschaft und war als solcher für den Bereich Produktentwicklung zuständig, ohne dass er über entsprechende Kontovollmachten verfügte. Zwischen der GmbH und ihrem Mutterkonzern bestand ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, der eine Verpflichtung der Muttergesellschaft gegenüber der Tochter zur Übernahme sämtlicher Verluste enthielt. Darüber hinaus vereinbarten die Gesellschaften ein Cash-Pool-System, nachdem die Muttergesellschaft sämtliche Zahlungen für die GmbH zu leisten hatte und täglich ein Kontoausgleich zwischen Mutterkonzern und GmbH vorgenommen werden sollte.
Sowohl für die Muttergesellschaft als auch für die GmbH wurde Insolvenzantrag gestellt. Noch wenige Wochen zuvor hatte der Beklagte Zahlungen an verschiedene Gläubiger geleistet.
Hinweis
Das OLG München hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wann eine Haftung des Geschäftsführers nach § 64 GmbHG besteht, wer die Zahlungsunfähigkeit bzw. die Überschuldung zu beweisen hat und welche Anforderungen an den subjektiven Tatbestand des § 64 GmbHG zu stellen sind.
Gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG sind die Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet wurden und mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes nicht vereinbar sind.
Zahlungsunfähigkeit liegt gem. § 17 Abs. 2 InsO vor, wenn der Schuldner nicht dazu in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Das ist gem. § 17 Abs. 2 Satz 2 in der Regel dann anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.
Eine Überschuldung liegt gem. § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei der Bewertung des Vermögens des Schuldners ist gem. Satz 2 die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist.
Zahlungen sind nach Insolvenzriefe nur dann mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar, wenn sie der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes und zur Vermeidung des sofortigen Zusammenbruches der Gesellschaft erforderlich sind (OLG Celle, ZInsO 2006, 440, 442).
In Übereinstimmung mit der ständigen BGH-Rechtsprechung hat das OLG München hier ausgeführt, dass ein Geschäftsführer gem. § 64 Abs. 2 GmbHG grundsätzlich auch für die Handlungen eines Mitgeschäftsführers haftet und es daher nicht darauf ankommt, wer die Zahlungen veranlasst hat (vgl. BGH, NJW 1994, 2149). Weiterhin ist die Gesellschaft für die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der GmbH, ab der die Ersatzpflicht des Geschäftsführers beginnt, beweispflichtig (BGH, NJW 2000, 668). Steht die Überschuldung der GmbH aber objektiv fest, trifft den Geschäftsführer die Beweislast für die fehlende Erkennbarkeit der Überschuldung oder der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft. Der subjektive Tatbestand des § 64 GmbHG ist erfüllt, wenn die Insolvenzreife erkennbar war, wobei die Erkennbarkeit vermutet wird (BGH, NJW 2000, 668). Eine positive Kenntnis der Überschuldung ist nicht erforderlich (BGHZ 75, 97, 111; 126, 181, 199; 143, 184, 185).
Das OLG hat hier allerdings unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles entschieden, dass die Insolvenzreife für den in Anspruch genommenen Geschäftsführer ausnahmsweise nicht erkennbar war. Denn dem beklagten Geschäftsführer soll es hier nicht möglich gewesen sein, die Wertlosigkeit der Forderungen gegen verbundene Unternehmen und die Wertlosigkeit des Verlustausgleichs gegen die Muttergesellschaft (und daher die Überschuldung) zu erkennen, da er für die kaufmännischen Angelegenheiten nicht zuständig war und die Unterlagen des Mutterkonzerns nicht einsehen konnte. Es bestanden zwar Gerüchte über die finanziellen Schwierigkeiten des Mutterkonzerns, diese wurden dem beklagten Geschäftsführer gegenüber aber wiederholt entkräftet.
Link zur Entscheidung
OLG München, Urteil vom 28.11.2007, 7 U 5444/05