(1) So bald wie möglich, nachdem einem unbegleiteten Minderjährigen internationaler Schutz gewährt wurde, ergreifen die zuständigen Behörden die notwendigen Maßnahmen, um gemäß den nationalen Bestimmungen einen Vormund zu bestellen.

Die zuständigen Behörden können die bereits als Vertreter gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2024/1348 oder gemäß Artikel 27 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2024/1346 benannte Person auch zum Vormund bestellen, ohne dass eine formale erneute Bestellung erfolgen muss.

Die in Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2024/1348 bzw. Artikel 27 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2024/1346 genannten Vertreter bleiben für unbegleitete Minderjährige verantwortlich, bis ein Vormund bestellt wird.

Organisationen oder natürliche Personen, deren Interessen denen des unbegleiteten Minderjährigen zuwiderlaufen oder zuwiderlaufen könnten, dürfen nicht zum Vormund dieses unbegleiteten Minderjährigen bestellt werden.

Wird eine Organisation zum Vormund bestellt, so bezeichnet sie so bald wie möglich eine natürliche Person, die bezüglich des unbegleiteten Minderjährigen die Aufgaben des Vormunds im Einklang mit dieser Verordnung wahrnimmt.

 

(2) Für die Zwecke dieser Verordnung und im Hinblick auf den Schutz des Wohls des Kindes und des allgemeinen Wohlergehens des unbegleiteten Minderjährigen hat der bestellte Vormund die Aufgabe,

 

a)

dafür zu sorgen, dass der unbegleitete Minderjährige alle Rechte aus dieser Verordnung in Anspruch nehmen kann,

 

b)

den unbegleiteten Minderjährigen im Fall des Entzugs der Flüchtlingseigenschaft oder des Status subsidiären Schutzes zu unterstützen und bei Bedarf zu vertreten und

 

c)

ihn bei Bedarf bei der Suche nach Familienangehörigen gemäß Absatz 7 zu unterstützen.

Ein Vormund

 

a)

muss über die erforderliche Sachkenntnis verfügen und zu Beginn seiner Tätigkeit und in ihrem Verlauf auf angemessene Art und Weise in Bezug auf die Rechte und Bedürfnisse unbegleiteter Minderjähriger geschult werden, auch im Hinblick auf jegliche zum Schutz von Kindern geltenden Bestimmungen,

 

b)

unterliegt in Bezug auf die Informationen, die er durch seine Arbeit erhält, gemäß dem nationalen Recht über die Schweigepflicht,

 

c)

darf ausweislich des Strafregisters keine Straftaten zulasten von Kindern sowie keine Straftaten begangen haben, die erhebliche Zweifel an seiner Fähigkeit aufkommen lassen, eine verantwortungsvolle Aufgabe im Zusammenhang mit Kindern zu übernehmen.

 

(3) Die zuständigen Behörden bestellen einen Vormund, der eine verhältnismäßige und nicht zu große Anzahl unbegleiteter Minderjähriger vertritt, sodass sichergestellt ist, dass er seinen Aufgaben effektiv gerecht werden kann und die unbegleiteten Minderjährigen ihre Rechte und Leistungen wirksam in Anspruch nehmen können.

 

(4) Gemäß dem nationalen Recht stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass Einrichtungen, etwa ein Organ der Rechtspflege, oder Personen vorhanden sind, die für die ständige Beaufsichtigung und Kontrolle von Vormündern zuständig sind, um sicherzustellen, dass die Vormünder ihre Aufgaben auf zufriedenstellende Art und Weise wahrnehmen.

Die in Unterabsatz 1 genannten Einrichtungen und Personen überprüfen die Leistung der Vormünder, insbesondere wenn es Hinweise darauf gibt, dass die Vormünder ihre Aufgaben nicht auf zufriedenstellende Art und Weise wahrnehmen. Diese Einrichtungen und Personen müssen Beschwerden unbegleiteter Minderjähriger über ihren Vormund unverzüglich prüfen.

Erforderlichenfalls ersetzen die zuständigen Behörden eine Person, die als Vormund handelt, insbesondere wenn sie der Auffassung sind, dass diese natürliche Person ihre Aufgaben nicht angemessen erfüllt hat.

Die zuständigen Behörden machen unbegleiteten Minderjährigen in einer ihrem Alter angemessenen Weise und so, dass sie diese Informationen verstehen, deutlich, wie sie auf vertrauliche und sichere Art und Weise eine Beschwerde gegen ihren Vormund vorbringen können.

 

(5) Unbegleitete Minderjährige werden von den zuständigen Behörden unter Berücksichtigung des Wohls des Kindes wie folgt untergebracht:

 

a)

bei einem erwachsenen Verwandten,

 

b)

in einer Pflegefamilie,

 

c)

in speziellen Einrichtungen für die Unterbringung Minderjähriger oder

 

d)

in anderen für Minderjährige geeigneten Unterkünften.

Den Meinungen des unbegleiteten Minderjährigen wird entsprechend seinem Alter und seiner Reife Rechnung getragen.

 

(6) Geschwister werden möglichst zusammen gehalten, wobei das Wohl der betreffenden unbegleiteten Minderjährigen, insbesondere ihr Alter und ihre Reife, zu berücksichtigen ist. Wechsel des Aufenthaltsorts sind bei unbegleiteten Minderjährigen auf ein Minimum zu beschränken.

 

(7) Hat die Suche nach Familienangehörigen eines unbegleiteten Minderjährigen begonnen, bevor ihm internationaler Schutz gewährt wurde, so wird sie auch nach Gewährung des internationalen Schutzes fortgesetzt. Wurde mit der Suche nach Familienangehörigen noch nicht begonnen, so beginnt sie so bald wie möglich nach Zue...

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