Leitsatz
Regelungen, die es einem gebietsansässigen Steuerpflichtigen erlauben, die einem Elternteil gezahlten Renten im Zuge der Übertragung von Grundstücken im Wege der vorweggenommenen Erbfolge als Sonderausgaben abzuziehen, gebietsfremden Steuerpflichtigen einen solchen Sonderausgabenabzug jedoch nicht gewähren, stellt eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, die nach Art. 63 AEUV grundsätzlich verboten ist.
Sachverhalt
Der beschränkt Steuerpflichtige ist deutscher Staatsangehöriger mit ausschließlichem Wohnsitz in Belgien, wo er als Arbeitnehmer tätig ist. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 2.12.2002 übertrug seine Mutter im Wege der vorweggenommenen Erbfolge mehrere in Deutschland belegene Grundstücke an ihn und seinen Bruder. Die bis zu diesem Zeitpunkt an diesen Grundstücken bestehenden Nießbrauchsrechte der Mutter wurden in eine Rentenverpflichtung umgewandelt, nach der er, wie sein Bruder, ab dem 1.12.2002 eine monatliche Rente von 1.000 EUR an seine Mutter zu zahlen hatte. In 2002 erzielte der Steuerpflichtige aus den erworbenen Grundstücken in Deutschland Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Das Finanzamt legte diese Beträge dem Einkommensteuerbescheid für 2002 zugrunde, lies aber die im Dezember 2002 gezahlte Rente nicht zum Sonderausgabenabzug zu.
Eine natürliche Person, die in Deutschland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, unterliegt nach § 49 EStG hinsichtlich ihrer Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von in Deutschland belegenen Immobilien dort der Einkommensteuer. Anders als ein gebietsansässiger Steuerpflichtiger kann ein gebietsfremder Steuerpflichtiger nach § 50 EStG von diesen Einkünften eine Rente, wie sie der Steuerpflichtige im Wege der vorweggenommenen Erbfolge an seine Mutter zahlt, nicht als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abziehen. Das FG hegte Zweifel, ob diese unterschiedliche Behandlung von unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen mit dem EU-Recht, insbesondere mit Art. 63 AEUV, vereinbar ist und legte diese Frage dem EuGH vor.
Zu den Maßnahmen, die nach Art. 63 Abs. 1 AEUV als Beschränkungen des Kapitalverkehrs verboten sind, gehören u.a. solche, die Gebietsfremde davon abhalten können, in einem Mitgliedstaat Investitionen zu tätigen oder zu halten. Nach Auffassung des EuGH könnte einerseits die nur Gebietsfremde betreffende steuerliche Benachteiligung durch § 50 EStG diese davon abhalten, Immobilien in Deutschland zu erwerben oder zu behalten; sie kann andererseits auch in Deutschland Ansässige davon abhalten, als Begünstigte einer vorweggenommenen Erbfolge Personen zu benennen, die in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland wohnen. Solche Rechtsnormen stellen eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, die nach Art. 63 AEUV verboten sind.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil v. 31.3.2011, C-450/09.