1 Leitsatz

Die Ansetzung einer Versammlung auf einen Sonn- oder gesetzlichen Feiertag (hier: Himmelfahrt) ist grundsätzlich ermessensfehlerhaft und führt zu einem formellen Beschlussmangel.

2 Normenkette

§§ 24 Abs. 1, 25 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 und Abs. 4 WEG

3 Das Problem

In einer Wohnungseigentumsanlage gibt es 4 Wohnungseigentümer, 3 Brüder (A, B und C) und 1 Schwester (D). Einer der Brüder, A, handelt als Verwalter, ist aber nicht bestellt. Er lädt zu einer Versammlung am 30.5. (Himmelfahrt). B teilt mit, nicht zu kommen, da es sich um einen christlichen gesetzlichen Feiertag handele (die Geschwister sind allerdings Muslime). D bittet um eine Verlegung. A verlegt die Versammlung nicht, führt diese gemeinsam mit C durch und fasst mit diesem eine Reihe von Beschlüssen. Gegen diese Beschlüsse wenden sich B und D. Sie meinen, die Beschlüsse beruhten auf einem formalen Beschlussmangel, da A nicht berechtigt gewesen sei, die Versammlung an einem gesetzlichen Feiertag einzuberufen.

4 Die Entscheidung

Die Anfechtungsklage hat Erfolg! Die Beschlüsse litten unter formellen Mängeln. Die Ansetzung der Versammlung auf einen gesetzlichen Feiertag sei unzumutbar gewesen. Die gesetzlichen Sonn- und Feiertage dienten – soweit nicht systembedingt anderweitig erforderlich – der Erholung, Regeneration und Zerstreuung. Die Durchführung von Tätigkeiten, Veranstaltungen oder sonstigen Abläufen abseits dieser Zielsetzung sei nur mit Zustimmung aller daran Beteiligten möglich. Unerheblich sei insoweit, welcher Religionsgemeinschaft die Wohnungseigentümer angehörten. Der Himmelfahrtstag sei bundesweit ein gesetzlicher Feiertag und richte sich an alle Personen gleichermaßen.

Hinweis

Ob an Sonntagen, gesetzlichen sowie kirchlichen Feiertagen in zumutbarer Weise Versammlungen abgehalten werden können, ist umstritten (siehe nur im Überblick Hügel/Elzer, WEG, 3. Auflage, § 24 Rz. 25). Richtig ist es, nach den regionalen Gepflogenheiten zu schauen und auf die Religionsausübung angemessen Rücksicht zu nehmen. Auf die Religionszugehörigkeit kommt es nicht an. Jede Religion verdient den gleichen Respekt. Insoweit ist es im Fall gut vertretbar, wenn auch nicht zwingend, die Ansetzung der Versammlung auf den Himmelfahrtstag für ermessensfehlerhaft zu halten.

5 Entscheidung

AG Biedenkopf, Urteil v. 14.9.2020, 50 C 208/19 (76)

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