1 Leitsatz
Es ist nicht zu beanstanden, eine Versammlung an einem Werktag um 17:00 Uhr an einem 14 km von der Wohnungseigentumsanlage entfernten Versammlungsort abzuhalten. Selbst dann, wenn der Versammlungsort in einer anderen Gemeinde liegt.
2 Normenkette
§§ 23, 24 WEG
3 Das Problem
Die Verwaltung lädt die Wohnungseigentümer zu einer Versammlung in ihr Verwalterbüro nach Norderstedt, um dort die Versammlung abzuhalten. Die Wohnungseigentumsanlage befindet sich südlich von Norderstedt in Hamburg. Als Versammlungszeit bestimmt die Verwaltung 17:00 Uhr an einem Werktag. Gegen die auf der Versammlung gefassten Beschlüsse geht Wohnungseigentümer K vor. Er bemängelt, die Verwaltung habe sowohl den Versammlungsort als auch die Versammlungszeit ermessensfehlerhaft bestimmt.
4 Die Entscheidung
Das AG sieht das nicht so und kann daher keine formalen Beschlussmängel erkennen. Zwar liege der Versammlungsort außerhalb von Hamburg und sogar in einer anderen politischen Gemeinde. Der 14 km entfernte Versammlungsort sei aber mit dem PKW in 30 Minuten und mit dem öffentlichen Personennahverkehr in 50 Minuten zu erreichen. Dies sei zumutbar. Auch die Versammlungszeit entspreche einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Zwar müsse die Verwaltung bei der Festlegung der Versammlungszeit ihr Ermessen so ausüben, dass den Wohnungseigentümern die Teilnahme an der Versammlung nicht erschwert werde. Der Beginn einer Versammlung ab 17:00 Uhr an Werktagen sei danach aber nicht zu beanstanden.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um die Frage, ob Beschlüsse unter einem formalen Mangel leiden, weil der Versammlungsort und die Versammlungszeit angeblich ermessenfehlerhaft bestimmt worden sind.
Versammlungsort
Die bei der Auswahl des Versammlungsortes einzuhaltenden Ermessensgrenzen und die jeweiligen Prüfsteine ergeben sich aus der Funktion der Versammlung. Der Versammlungsort muss eine ordnungsmäßige Durchführung gewährleisten und sämtlichen Wohnungseigentümern die Teilnahme ermöglichen. Der Versammlungsort muss verkehrsüblich zu erreichen sein. Dies schließt die Erreichbarkeit mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln ein, sofern sie vorhanden sind. Im Fall war es nach diesen Maßgaben richtig anzunehmen, dass der Versammlungsort ordnungsmäßig bestimmt worden war. Ob dies auch für die Versammlungsstätte galt, war nicht streitig. Das Verwalterbüro kann sich allerdings als ungeeignet erweisen.
Versammlungszeit
Welche Versammlungszeit zu wählen ist, bestimmen originär die Wohnungseigentümer. Treffen die Wohnungseigentümer keine Regelung, hat die Verwaltung namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Ermessen. Bei der Ansetzung ist zu beachten, dass die Teilnahmemöglichkeit der Wohnungseigentümer ein zentrales Recht ist, das durch eine "unzeitige" Terminbestimmung nicht verkürzt oder gar vereitelt werden darf. Abwägung und Entscheidung müssen sich jeweils an den Besonderheiten der Wohnungseigentumsanlage und den Belangen der Wohnungseigentümer ausrichten und können im Einzelfall sehr stark voneinander abweichen. Im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung ist zu versuchen, jedem Wohnungseigentümer in zumutbarer Weise eine Versammlungsteilnahme zu ermöglichen. Ist das nicht möglich, ist eine Ansetzung ermessensfehlerfrei, die der überwiegenden Mehrheit eine Teilnahmemöglichkeit verschafft. Eine für jede Wohnungseigentumsanlage geltende Uhrzeit, wann eine Versammlung zu beginnen hätte, gibt es nicht. Im Normalfall sollte die regelmäßige Versammlung allerdings spätestens bis zum 30.6. nach 17:00 Uhr an einem Werktag einberufen werden, der nicht Feiertag ist und außerhalb der Schulferien im betreffenden Bundesland liegt. Bei größeren Wohnungseigentumsanlagen kann die Versammlungszeit aber auch früher angesetzt werden.
Im Fall war es nach diesen Maßgaben richtig anzunehmen, dass die Versammlungszeit ordnungsmäßig bestimmt worden war.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Das AG hat offengelassen, ob im Hinblick auf den Fachkräftemangel bei Verwaltungen auch eine frühere Versammlungszeit ordnungsmäßig gewesen wäre.
6 Entscheidung
AG Hamburg-St. Georg, Urteil v. 1.12.2023, 980b C 31/22 WEG