1 Leitsatz
Für die Bezeichnung eines Beschlusses in der Einberufung kann es ausreichen, dass ein anderer Beschluss bezeichnet wird.
2 Normenkette
§§ 20 Abs. 1, 23 Abs. 2, 24 Abs. 4 Satz 2 WEG
3 Das Problem
Der Verwalter lädt mit Schreiben vom 1.9.2020 zu einer Versammlung am 16.9.2020. Mit Schreiben vom 7.9.2020 ergänzt er die Tagesordnung um den TOP 12. In der Versammlung genehmigen die Wohnungseigentümer zu diesem TOP gegen die Stimmen von 2 Wohnungseigentümern dem Wohnungseigentümer X, in seinem Garten auf eigene Kosten und Tragung der Folgekosten einen Schuppen aufzustellen, sofern er dabei den Denkmalschutz und Auflagen des Denkmalschutzes einhält (bei der Wohnungseigentumsanlage handelt es sich um eine aus Einfamilien-Reihenhäusern und Mehrfamilienhäusern unter Denkmalschutz stehende ältere Siedlung). Vor dem Beginn der Arbeiten soll X die Genehmigung des Denkmalschutzamtes der Verwaltung vorlegen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich Wohnungseigentümer K im Wege der Anfechtungsklage. Er ist der Ansicht, dieser leide unter einem formalen Ladungsmangel. Da er gegen den Beschluss gestimmt habe und durch den Schuppen benachteiligt werde, hätte der Verwalter außerdem verkünden müssen, dass der Beschluss nicht zustande gekommen sei. Der Beschluss sei im Übrigen aber auch materiell nicht ordnungsmäßig. Er sei zu unbestimmt, da nicht geregelt worden sei, wo und wie X bauen dürfe. Schließlich sei die Regelung, dass X die Folgekosten tragen müsse, unwirksam.
4 Die Entscheidung
Die Anfechtungsklage hat keinen Erfolg! Der Verwalter habe nicht gegen § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG verstoßen. Zwar habe er die Tagesordnung zu spät ergänzt. Auf der ursprünglichen Tagesordnung habe sich aber ein vergleichbarer Gegenstand gefunden. Dieser Umstand sei ausreichend gewesen, um sich ausreichend mit der "Materie" zu beschäftigen.
Der Beschluss sei auch nicht zu unbestimmt. Zwar nenne der Beschluss weder Ausführungsart noch Standort des Schuppens. Diese Umstände würden sich aber unmittelbar aus dem weiteren Inhalt der Niederschrift ergeben. Danach handele es sich um ein Holzhaus mit Satteldach mit einer Grundfläche von 1,80 m x 2,10 m auf der rückwärtigen Grundstücksgrenze.
Der Verwalter sei ungeachtet der Gegenstimmen auch berechtigt gewesen, einen positiven Beschluss zu verkünden. K habe dem Beschluss in Ermangelung eines Nachteils nicht zustimmen müssen. Die einzelnen Gärten seien durch Sichtschutzzäune voneinander abgegrenzt. Die Wohnungseigentümer gestalteten die Sondernutzungsflächen gärtnerisch und hätten dort bereits Gartenhäuser und andere Baulichkeiten errichtet. Dies treffe auch auf K zu, auf dessen Sondernutzungsfläche ebenfalls ein Gartenhaus stehe. Ein einheitliches Erscheinungsbild der Gärten liege also bereits aufgrund der Zergliederung des Grundstücks und der errichteten verschiedenartigen Abgrenzungen zum jeweiligen Nachbarn nicht vor. Die Errichtung eines weiteren Gartenhauses, das angesichts des geltenden Denkmalschutzes bereits öffentlich-rechtlich den denkmalschutzrechtlichen Vorschriften entsprechen müsse, führe nicht zu einer nachteiligen optischen Veränderung.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es erstens um die Frage, wie ein Beschlussgegenstand zu bezeichnen ist. Zweitens geht es um den "Dauerbrenner" Bestimmtheit. Und drittens geht es um einen Beschluss, mit dem die Wohnungseigentümer sich über eine bauliche Veränderung verhalten. Der Fall spielt allerdings noch im bis zum 1.12.2020 geltenden alten Recht. Im Spiegel des neuen Rechts zeigt sich, was sich hier verändert hat.
Bezeichnung eines Beschlussgegenstandes und Einberufungsfrist
Die Frist der Einberufung soll, sofern nicht ein Fall besonderer Dringlichkeit vorliegt, nach § 24 Abs. 4 Satz 2 mindestens 3 Wochen betragen (im alten Recht waren es 2 Wochen). Wird diese Frist wegen der Ergänzung der Tagesordnung nicht eingehalten, liegt ein formaler Ladungsmangel vor. Die Rechtsprechung vermutet für solche Mängel, dass ein Beschluss, den die Wohnungseigentümer in dieser Situation fassen, auf ihnen beruht. Dieser Umstand hätte der Klage eigentlich zum Erfolg verhelfen müssen.
Um dieses Ergebnis zu verhindern, behilft sich das AG mit einem "Trick". Es meint, es liege kein Ladungsmangel vor, da sich der klagende Wohnungseigentümer allgemein mit der Errichtung eines Schuppens hätte beschäftigen können. Mich überzeugt diese großzügige Sichtweise nicht. Denn der Kläger hatte erst mit der Ergänzung der Tagesordnung einen ausreichenden Anlass, sich mit der Errichtung eines Schuppens in der Nähe seines Gartens zu beschäftigen. Ich selbst hätte diese Frage also anders entschieden.
Bestimmtheit eines Beschlusses
Beschlüsse müssen "bestimmt" genug formuliert sein. Dies ist der Fall, wenn ein Beschluss aus sich heraus genau, klar, eindeutig und widerspruchsfrei erkennen lässt, was gilt. Einem Beschluss fehlt hingegen die Bestimmtheit, wenn er keine sinnvolle, in sich geschlossene und verständliche Regelung enthält. Damit ein Beschluss "bestimmt" ist, muss er so ausführlich wie nötig beschreiben, was gelten soll. Er muss – gegebenenfalls durch Ve...