1 Leitsatz
Für jeden Wohnungseigentümer muss nicht nur bis zum Beginn einer Versammlung, sondern auch während der Versammlung die Möglichkeit bestehen, die Versammlungsstätte zu erreichen. Ist der Zugang nicht ohne Weiteres möglich, zum Beispiel weil die Eingangstüren bei Versammlungsbeginn verschlossen werden, muss durch Inanspruchnahme gebräuchlicher Mittel die Möglichkeit bestehen, um Einlass zu bitten.
2 Normenkette
§§ 23, 24 WEG
3 Das Problem
Die Versammlung beginnt, wie angekündigt, um 17:00 Uhr im Verwalterbüro. Mit ihrem Beginn werden die Türen verschlossen. Die Wohnungseigentümer fassen mehrere Beschlüsse. Gegen diese geht Wohnungseigentümer K vor. Er trägt vor, er habe die auswärtig liegende Versammlungsstätte verkehrsbedingt erst um 17:05 Uhr erreicht. Er habe die Versammlungsstätte nicht betreten können, weil die Eingangstüren verschlossen gewesen seien. Eine funktionierende Klingel habe es nicht gegeben. Die Verwaltung sei für ihn – das ist unstreitig – auch telefonisch nicht zu erreichen gewesen. Er habe erfolglos außerdem versucht, durch Rufen, Klopfen oder das Werfen kleiner Steine gegen das Fenster auf sich aufmerksam zu machen.
4 Die Entscheidung
Die Anfechtungsklage hat Erfolg! Der Kläger sei in nicht zumutbarer Weise von der Teilnahme an der Versammlung ausgeschlossen gewesen. Die Verwaltung habe keine ausreichenden Mittel vorgesehen, Wohnungseigentümer auch nach dem Verschluss der Türen noch einzulassen. Zu solchen Mitteln zählten die Benutzung einer funktionierenden und wahrnehmbaren Klingel oder eine telefonische Erreichbarkeit des Versammlungsleiters bzw. einer Person, die den Zugang herstellen könne. Ein Verweis auf die Kontaktaufnahme per E-Mail genüge nicht.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um die Frage, ob eine Versammlungsstätte – der Versammlungsraum – auch nach Beginn der Versammlung noch erreichbar sein muss.
Erreichbarkeit der Versammlungsstätte
Die Versammlungsstätte muss auch nach dem Beginn einer Versammlung weiterhin zumutbar erreichbar sein. Werden die Türen zum Versammlungsraum verschlossen, was zulässig ist, muss sichergestellt werden, dass Wohnungseigentümer, die sich verspäten, dennoch den Versammlungsraum betreten können. Hierfür reicht es nicht aus, dass die Wohnungseigentümer der Verwaltung eine E-Mail senden können.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Der Fall mahnt die Verwaltungen, an jede Eventualität zu denken. Im Fall dürfte einfach vergessen worden sein, dass die Klingelanlage defekt war. Es kann aber keinem Zweifel unterliegen, dass Wohnungseigentümer auch nach Versammlungsbeginn noch in der Lage sein müssen, den Versammlungsraum zu erreichen, auch wenn es verschlossene Türen gibt.
6 Entscheidung
AG Hamburg-St. Georg, Urteil v. 23.2.2024, 980a C 33/23 WEG