1 Leitsatz
Ein Wohnungseigentümer kann sich auf einer Versammlung nicht von seinem Sondereigentumsverwalter vertreten lassen, wenn dies der Vertretungsregelung in der Gemeinschaftsordnung widerspricht. Beschränkungen des Vertreterkreises in Altvereinbarungen sind auch nach Inkrafttreten des WEMoG wirksam.
2 Normenkette
§§ 23, 25, 47 WEG
3 Das Problem
Wohnungseigentümer K wendet sich im Wege der Anfechtungsklage gegen mehrere Beschlüsse. Er rügt, der Verwalter haben seinen Vertreter Z, einen Sondereigentumsverwalter, ausgeschlossen. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bestreitet das nicht, beruft sich aber auf die Gemeinschaftsordnung. Dort heißt es:
"Ein Wohnungseigentümer kann sich [in einer Wohnungseigentümerversammlung] nur durch seinen Ehegatten, den Verwalter oder einen anderen Wohnungseigentümer der Gemeinschaft oder einen zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Dritten aufgrund schriftlicher Vollmacht vertreten lassen."
4 Die Entscheidung
Das LG meint, es sei richtig gewesen, Z nicht als Vertreter hinzunehmen! Z falle als Sondereigentumsverwalter nicht unter den Kreis der Vertreter, die nach der Vertreterklausel zuzulassen seien. § 47 WEG stehe der Fortgeltung der Vertreterklausel nicht entgegen. In Bezug auf die möglichen Vertreter habe es im alten WEG keine Regelungen gegeben. Die für die Anwendung von § 47 WEG erforderliche Situation eines Konflikts einer Altvereinbarung mit dem modernisierten WEG bestehe mithin nicht. Die Vertreterklausel sei auch nicht zu beanstanden. Die Befugnis, sich bei einer Versammlung durch jeden Dritten vertreten zu lassen, könne durch eine Vereinbarung beschränkt werden. Unzulässig sei es nur, die Möglichkeit einer Vertretung gänzlich auszuschließen oder auf die Person des Verwalters zu beschränken.
Soweit K meine, für ihn sei keine der in der Vertreterklausel aufgeführten Varianten in Betracht gekommen, sei dem nicht zu folgen. Im Einzelfall könne es den anderen Wohnungseigentümern zwar aufgrund besonderer Umstände nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt sein, sich auf eine Vertreterklausel zu berufen. Die Rechtsprechung habe solche Ausnahmen beispielsweise angenommen, wenn in einer kleinen, im Wesentlichen selbst genutzten Wohnanlage zwischen den Wohnungseigentümern erhebliche Spannungen bestanden oder die zugelassenen Vertreter wegen Interessenkollision für den Vertretenen unzumutbar waren. Ein solcher Einzelfall liege aber nicht vor. K hätte jedenfalls einen zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Dritten, insbesondere eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt, beauftragen können.
5 Hinweis
Problemüberblick
Die Wohnungseigentümer haben vor dem 1.12.2020 eine Vertreterklausel vereinbart. Zu fragen ist, ob diese noch gilt und ob gegebenenfalls eine Ausnahme anzunehmen ist.
Auslegung von Altvereinbarungen
Vereinbarungen, die vor dem 1.12.2020 getroffen wurden und die von solchen WEG-Vorschriften abweichen, die durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz vom 16.10.2020 (BGBl. I S. 2187) geändert wurden, stehen nach § 47 Satz 1 WEG der Anwendung dieser Vorschriften in der vom 1.12.2020 an geltenden Fassung nicht entgegen, soweit sich aus der Vereinbarung nicht ein anderer Wille ergibt. Für Vertreterklauseln hat diese Regelung keine Bedeutung. Wie vom LG ausgeführt, wichen diese nie vom "Alt-WEG" ab.
Vertreterklausel und Treu und Glauben
Im Einzelfall ist es der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aufgrund besonderer Umstände nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf eine Vertreterklausel zu berufen. Ob dem so ist, kann in der Regel erst in der Versammlung der Eigentümer geprüft werden. Beispielsweise auf eine Vereinbarung, dass sich ein Wohnungseigentümer nur durch seinen Ehegatten, den Verwalter oder einen anderen Wohnungseigentümer vertreten lassen kann, darf sich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer dann nicht berufen, wenn der Ehegatte zur Vertretung aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, der Wohnungseigentümer mit den übrigen Wohnungseigentümern völlig zerstritten und erst unmittelbar vor der Versammlung ein neuer Verwalter bestellt worden ist, den der – verhinderte – Eigentümer (noch) nicht kennt. Eine Vertreterklausel ist im Übrigen nicht anzuwenden, wenn der durch sie beschränkte Wohnungseigentümer im Ausland lebt, nicht verheiratet ist, es sich um eine kleine Wohnungseigentumsanlage handelt, die anderen Wohnungseigentümer mit dem Verwalter "identisch" und die Eigentümer schließlich zerstritten sind. Entsprechendes gilt, wenn die Wohnungseigentümer über mehrere Jahre die Vertretung durch Dritte hingenommen haben, obwohl dies – was bekannt war – gegen eine Vertreterklausel verstieß. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer darf dann ihre Handhabung nur in einer Weise "ändern", die gewährleistet, dass der betroffene Wohnungseigentümer rechtzeitig für seine ordnungsgemäße Vertretung sorgen kann.
Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?
Die Verwaltung muss Vertreterklauseln strikt beachten und jeden nicht zugelassenen Vertreter von der Versammlung ausschließen. Dies gilt auch für eine hybride Versammlu...