1 Leitsatz
Ein Wohnungseigentümer kann sich auf einer Versammlung nicht von seinem Sondereigentumsverwalter vertreten lassen, wenn dies einer Vertreterklausel widerspricht. Beschränkungen des Vertreterkreises in Altvereinbarungen sind auch nach dem 30.11.2020 wirksam.
2 Normenkette
§§ 23, 24 WEG
3 Das Problem
Wohnungseigentümer K betraut die C-GmbH mit der Verwaltung seines Sondereigentums. Deren Geschäftsführer X verlangt von der Verwaltung, an einer Versammlung teilnehmen zu dürfen. Die Verwaltung verwehrt ihm die Teilnahme unter Hinweis auf die Gemeinschaftsordnung aus dem Jahr 1993, in der es heißt: "Ein Wohnungseigentümer kann sich [in einer Wohnungseigentümerversammlung] nur durch seinen Ehegatten, den Verwalter oder einen anderen Wohnungseigentümer der Gemeinschaft oder einen zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Dritten aufgrund schriftlicher Vollmacht vertreten lassen." Wohnungseigentümer K geht gegen die auf der Versammlung gefassten Beschlüsse vor, weil X nicht an der Versammlung teilnehmen durfte. Das AG meint, X sei zu Recht ausgeschlossen worden. Dagegen richtet sich die Berufung.
4 Die Entscheidung
Ohne Erfolg! X sei nach den Vertretungsregelungen der Vertreterklausel tatsächlich nicht zu einer Vertretung berechtigt gewesen. Die Vertreterklausel sei auch wirksam. Die Befugnis, sich bei einer Versammlung durch jeden Dritten vertreten zu lassen, könne durch eine Vereinbarung beschränkt werden. Unzulässig sei es nur, die Möglichkeit einer Vertretung gänzlich auszuschließen oder auf die Person des Verwalters zu beschränken. So liege der Fall nicht. § 47 WEG stehe der Fortgeltung der Vertreterklausel nicht entgegen. In Bezug auf die möglichen Vertreter seien im reformierten Gesetz keine Regeln enthalten, sodass die für die Anwendung von § 47 WEG erforderliche Situation eines Konfliktes einer Altvereinbarung mit dem modernisierten WEG nicht bestehe.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um eine Vertreterklausel, also eine Vereinbarung, die den Kreis der möglichen Vertreter eines Wohnungseigentümers einengt.
Wirksamkeit einer Vertreterklausel
Man kann fragen, ob eine Vertreterklausel überhaupt wirksam ist. Dies bejaht das LG mit der herrschenden Meinung. Eine Vertreterklausel bezweckt, die Versammlungen der Wohnungseigentümer von gemeinschaftsfremden Einwirkungen freizuhalten und den Kreis der Vertretungsberechtigten auf Personen zu beschränken, die entweder mit der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums betraut sind (Verwalter), als Wohnungseigentümer bereits an der Versammlung teilnehmen dürfen oder dem vertretenen Wohnungseigentümer besonders nahestehen. Das ist nicht zu beanstanden.
Treu und Glauben (§ 242 BGB)
Im Einzelfall kann es der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aufgrund besonderer Umstände nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt sein, sich auf eine Vertreterklausel zu berufen. Die Rechtsprechung hat solche Ausnahmen beispielsweise angenommen, wenn zwischen den Wohnungseigentümern erhebliche Spannungen bestanden oder die zugelassenen Vertreter wegen Interessenkollision für den Vertretenen unzumutbar waren. Ein solcher Einzelfall lag hier nicht vor.
Altvereinbarungen
Das LG klärt für die Praxis, dass § 47 WEG der Anwendung von Vertreterklauseln nicht entgegensteht.
Was ist für Verwaltungen besonders wichtig?
Eine Verwaltung muss eine Vertreterklausel gewissenhaft beachten. Dies gilt auch dann, wenn eine Person nur virtuell an einer Versammlung teilnimmt.
6 Entscheidung
LG Frankfurt a. M., Beschluss v. 10.11.2022, 2-13 S 54/22