Problemüberblick
Im Fall geht es im Kern um die Frage, wann eine Versammlungsstätte einem Wohnungseigentümer ausnahmsweise unzumutbar ist.
Anforderungen an eine Versammlungsstätte
Die Versammlungsstätte ist am Grundsatz der Zumutbarkeit zu messen. Sie selbst muss einen störungsfreien Ablauf gewährleisten, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen und akzeptabel sein. Dies ist u. a. nicht der Fall, wenn sie von der Größe her nicht die Teilnahme aller Wohnungseigentümer zulässt, der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit nicht gewahrt werden kann, der Ort zu laut oder ein ordnungsmäßiger, gesetzlicher Ablauf der Versammlung dort nicht gewährleistet ist. Den Wohnungseigentümern ist es für eine begrenzte Zeit und zur Einsparung von Versammlungskosten zumutbar, gewisse Unbequemlichkeiten in Kauf zu nehmen. Beispiele:
- Hygiene- und/oder Infektionsschutz: Eine Versammlungsstätte ist ungeeignet, wenn dort dem Hygiene- und/oder Infektionsschutz nicht oder nicht ausreichend oder nur unter großen Schwierigkeiten genügt werden kann. Ferner ist sie ungeeignet, wenn sie in einem Risikogebiet mit hohen Infektionszahlen liegt.
- Waschküche: Eine Waschküche als Versammlungsort kann bei strittigen Punkten, bei denen eine Diskussion gegebenenfalls zu erwarten ist, unzumutbar sein. Was gilt, ist aber eine Frage des Einzelfalls.
- Wohnung: Bestehen zwischen einem Wohnungseigentümer und dem Verwalter erhebliche Differenzen, kann die Wohnung des Verwalters ein unzumutbarer Ort sein. Ähnlich liegt es, wie im Fall, bei der Wohnung eines Wohnungseigentümers.
- Wohnwagen: Sind in kleineren Wohnungseigentumsanlagen im Versammlungsvorfeld zwischen einigen Wohnungseigentümern bereits Reibereien aufgetreten und Weiterungen nicht auszuschließen, kann die Wahl eines Wohnwagens als Versammlungsstätte ermessensfehlerhaft sein.
Prozessuales
Das AG weist nebenbei darauf hin, es folge nicht der Ansicht von Jacoby/Lehmann-Richter, ZMR 2021, S. 273, 274, dass es sich bei den einzelnen Beschlussmängeln, die ein Anfechtungskläger zur Begründung seiner Klage vorbringe, im Kontext von § 44 Abs. 1 WEG um einen eigenständigen Streitgegenstand im Sinne des Prozessrechts handele (ob dies im Verhältnis von Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründen anders zu beurteilen sei, könne offenbleiben).
Das prozessuale Begehren des Klägers werde durch den Klageantrag (Rechtsfolge) und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleite, bestimmt. Mit seiner wohnungseigentumsrechtlichen Beschlussklage i. S. v. § 44 Abs. 1 WEG gehe es dem Kläger nach seinem Klageantrag in Verbindung mit seiner – zumeist auf mehrere Gründe gestützten – Klagebegründung aus der Sicht einer vernünftigen Prozesspartei ganz wesentlich (nur) darum, den angegriffenen Beschluss "zu Fall" zu bringen, nicht aber darum, mit allen Anfechtungsgründen, die er (rechtzeitig) geltend gemacht habe, durchzudringen; Gegenstand des Rechtsstreits sei das erstrebte Ergebnis bzw. Ziel, nicht aber, ob die vom Kläger zur Zielerreichung aufgezeigten Wege (Einwendungen) jeweils auch im Einklang mit dem materiellen Recht dorthin führten.
Für eine unnatürliche Aufspaltung des Klagebegehrens nach der zum 1.12.2020 in Kraft getretenen Neuregelung der Verfahrensvorschriften in den §§ 43ff. WEG sprächen daher keine durchgreifenden rechtlichen Erwägungen.