Kommentar
Ein Bürokaufmann ist in einer GmbH tätig. Sein Vater, alleiniger Geschäftsführer der GmbH, hält 60 %, er selbst 40 % des Stammkapitals. Nach dem Gesellschaftsvertrag erfordern Gesellschafterbeschlüsse die Zustimmung von ¾ des Kapitals. Der Sohn besitzt also eine Sperrminorität . Nachdem die GmbH Konkurs angemeldet hatte, meldete er sich beim Arbeitsamt arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Das Arbeitsamt hat den Antrag abgelehnt, da eine beitragspflichtige Beschäftigung aufgrund der vorhandenen Sperrminorität nicht vorgelegen habe.
Anders das BSG: Der GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer gehört nach der Rechtsprechung des BSG nicht zu den in abhängiger Beschäftigung stehenden Personen, wenn er kraft seiner Gesellschafterrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit von einem Arbeitgeber vermeiden kann . Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Geschäftsführer über mindestens die Hälfte des Stammkapitals verfügt. Aber auch bei einem geringeren Kapitalanteil kann die Arbeitnehmereigenschaft im Einzelfall fehlen. So ist eine abhängige Beschäftigung grundsätzlich dann zu verneinen, wenn der Geschäftsführer, der ja nur an Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden ist, über eine Sperrminorität verfügt und damit ihm nicht genehme Entscheidungen der Gesellschaft verhindern kann ( Gesellschafter-Geschäftsführer ). Aufgrund seiner Kapitalbeteiligung war der Sohn zwar ebenfalls in der Lage, ihm nicht genehme Beschlüsse der Gesellschaft zu verhindern. Dies reicht nach Auffassung des Gerichts indessen nicht aus, um generell die für ein Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit zu vermeiden.
Die Rechtsmacht eines Gesellschafters mit Sperrminorität erschöpfte sich allein darin, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zu verhindern . Da er nicht Geschäftsführer war, konnte er den Geschäftsbetrieb damit weder bestimmen noch als Minderheitsgesellschafter einen maßgebenden gestalterischen Einfluß auf die Gesellschaft nehmen. In früheren Entscheidungen hat das BSG zwar entschieden, daß der bestimmende Einfluß des Gesellschafters auf die GmbH ein Grund war, ein Beschäftigungsverhältnis zu verneinen. Ebenso hat das BSG ein Beschäftigungsverhältnis zur Gesellschaft bei einem Alleingesellschafter dann verneint, wenn er eine untergeordnete Tätigkeit nach Weisung verrichtet. Entscheidend ist aufgrund der Alleininhaberschaft die an sich bestehende Rechtsmacht über die Gesellschaft. Sie versetzt den Gesellschafter in die Lage, seine Unterwerfung unter das Direktionsrecht des Arbeitgebers bzw. des Alleingeschäftsführers jederzeit zu beenden ( Sozialversicherungspflicht ).
Soweit in den früheren Entscheidungen das BSG ausgeführt hat, ähnlich sei „beim Bestehen einer Sperrminorität weder der Mehrheitsgesellschafter noch der Minderheitsgesellschafter Arbeitnehmer”, hält das BSG an dieser die Entscheidungen tragenden Aussage nicht mehr fest .
Die Rechtsmacht eines Minderheitsgesellschafters mit Sperrminorität ist mit der eines Alleingesellschafters einer GmbH nicht vergleichbar. Nach den vorliegenden Verhältnissen war der Sohn wie eine fremde Arbeitskraft in den Betrieb eingegliedert und besaß insbesondere keine Dispositionsmöglichkeiten. Er hatte – im Unterschied zum Gesellschafter, der zugleich Geschäftsführer einer GmbH ist – rechtlich gar keine Möglichkeit, auf die Geschäftsführung Einfluß zu nehmen. Aus diesen Gründen liegt hier Versicherungspflicht in einem beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur GmbH vor.
Link zur Entscheidung
BSG, Urteil vom 05.02.1998, B 11 AL 71/97 R