Leitsatz
Erklärt der Versicherungsagent dem VN, durch die Mitteilung der Kennzeichen gehe der Versicherungsschutz von den abgemeldeten auf die neuzugelassenen (gleichwertigen) Fahrzeuge über, so kann sich der VN ohne Eigenverschulden darauf verlassen, selbst wenn ausweislich des Versicherungsscheins Erweiterungen oder Änderungen des Versicherungsverhältnisses der schriftlichen Bestätigung des Versicherers bedürfen.
Normenkette
§ 61 VVG
Sachverhalt
Der Kl. nahm die Bekl. aus Anlass zweier gestohlener Lkw des Kl. aus einer Güternah- und Kleingutverkehrsversicherung in Anspruch. Die Bekl. hält sich für nicht leistungspflichtig, u. a. weil sie die Erfassung der beiden Lkw durch den Versicherungsvertrag nicht schriftlich bestätigt habe, wie es der Versicherungsvertrag vorsehe.
Entscheidung
Das OLG führte aus, entgegen der Auffassung des LG biete die beabsichtigte Rechtsverfolgung, nämlich die Geltendmachung eines Zahlungsanspruchs aus § 1 Abs. 1 S. 1 VVG i. V. m. Nr. 1 der Versicherungsbedingungen für den Güternah- und Kleingutverkehr, nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand hinreichend Aussicht auf Erfolg i. S. d. § 114 ZPO.
Es stehe z. Zt. nicht fest, dass für die beiden Lkw des Kl., die unstreitig zwischen dem 25. und 26.2.1995 in E. gestohlen worden sind, zum Zeitpunkt der Entwendung kein Versicherungsschutz bestand.
Zwar weise die Bekl. zutreffend darauf hin, dass sie den Versicherungsschutz für die genannten Lkw nicht schriftlich bestätigt hat. Ausweislich der von der Bekl. verwendeten Versicherungsscheine seien Erweiterungen oder Änderungen des Versicherungsverhältnisses nur wirksam, wenn die Generaldirektion der Bekl. sie schriftlich genehmigt. Eine derartige Regelung enthält auch der Versicherungsschein vom 8.10.1992, den der Kl. erhalten habe. Der Kl. behaupte indessen unter Beweisantritt, er habe dem Zeugen H. sofort nach der Zulassung der beiden Fahrzeuge am 25.1.1995 die Kennzeichen der Lkw mitgeteilt und ihn gebeten, die Umschreibung der Transportversicherung zu veranlassen. Der Zeuge habe ihm gegenüber bestätigt, dass durch die Mitteilung der Kennzeichen der Versicherungsschutz von den abgemeldeten Fahrzeugen auf die nunmehr zugelassenen Lkw übergehe.
Nach der Klarstellung des Vortrags durch den Kl. sei unstreitig, dass die Fa. C., für die der Zeuge H. tätig war, nicht Maklerin, sondern Mehrfachagentin i. S. d. § 84 HGB ist. Dies habe die Bekl. bestätigt. Damit sei sowohl die Fa. C. als auch der Zeuge H. als Versicherungsagent anzusehen. Wenn ein Agent oder dessen Angestellte Aufklärung über vertragswesentliche Punkte gäben, so dürfe der VN grundsätzlich darauf vertrauen; falsche Auskünfte eines Agenten könnten die Haftung des Versicherers begründen. Der Versicherungsvertrag werde im Sinne der für den VN günstigen Aufklärung umgestaltet.
Ein erhebliches Eigenverschulden des Kl., das die Haftung der Bekl. ausschließt, sei nicht gegeben. Zwar sei davon auszugehen, dass ein VN sich auf eine unrichtige Auskunft eines Agenten nicht verlassen dürfe, wenn dessen Erklärung den in schriftlicher Form vorliegenden klaren Versicherungsbedingungen widerspricht. Vorwiegend habe der Kl. trotz des schon zitierten Zusatzes in den Versicherungsscheinen auf die Richtigkeit der von ihm behaupteten Erklärung des Zeugen H. vertrauen dürfen. Die Begründung des Versicherungsschutzes für zwei neu zugelassene Lkw, die der Kl. für zwei zuvor bereits versicherte Fahrzeuge angeschafft hatte, stelle sich für den Kl. als reine Formalität dar, die das Versicherungsverhältnis grundsätzlich nicht berührt. Diese Fallgestaltung sei von der Zusicherung vorläufiger Deckung bei Neuabschluss eines Versicherungsvertrags zu unterscheiden. Dass mit der behaupteten bloßen Änderung eine Gefahrerhöhung verbunden war, trage die Bekl. nicht vor und sei auch nicht ersichtlich. Die Höchsthaftungsgrenze habe 100.000 DM betragen sollen. Diese Summe sei bereits für das abgemeldete Fahrzeug vereinbart gewesen.
Schließlich komme hinzu, dass der Kl. den Zeugen H. als Fachmann hinzugezogen hatte. Ein erhebliches Eigenverschulden könne dann nicht bejaht werden, wenn zur Vermeidung einer Gefahr ein Fachmann eigens hinzugezogen werde und ein mögliches Verschulden des VN nur darin liegen könne, dass er bei genügender Sorgfalt eine falsche Auskunft hätte erkennen können.
Link zur Entscheidung
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.07.1997, 4 W 32/97